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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Dann schloss sie seine Finger darum. »Versprechen Sie mir, dass Sie Sheela-na-gig mit sich nehmen werden, wo immer Sie auch hingehen. Aber Sie müssen mir auch versprechen, dass Sie sie erst ansehen, wenn Sie in Ihrem Zimmer in Riley’s Pub sind.«
    »Ich verspreche es«, erwiderte Patrick, den ihre Geste ein wenig verwirrte. »Aber was ist Sheela-na-gig?«
    »Eine Göttin, die noch älter ist als Morrigan. Ich fand sie eines Tages als kleines Mädchen bei einem meiner Streifzüge auf dem Hügel. Bis jetzt habe ich sie versteckt gehalten, weil ich befürchtete, mein Großvater würde sie mir wegnehmen und seiner Sammlung einverleiben.«
    Patrick fühlte den kalten Stein in seiner Hand und erriet die Umrisse einer menschenähnlichen Gestalt. In vielerlei Hinsicht war die alte Göttin in seiner Hand für ihn ebenso rätselhaft wie das Mädchen, das sich nun auf die Zehenspitzen stellte, um ihn zu küssen. Ihr kuss war lang und sanft. Keiner von beiden wollte den eigenartigen Zauber des Augenblicks brechen. Doch der Mond stand schon niedrig über dem Horizont, und bald würde es auf dem Hügel sehr dunkel werden.
    »Seien Sie vorsichtig, Captain Duffy«, flüsterte Catherine ganz nah an seinem Ohr, wobei ihr süßer Atem seine Wange streifte. »Ich werde zu Sheela-na-gig beten, damit sie Sie an den gefährlichen Orten beschützt, an die Sie das Leben führt.«
    Widerstrebend riss sie sich los und ging, ohne zurückzublicken, mit den beiden riesigen Hunden durch die dichten Tannen den Abhang hinunter.
    Patrick bewegte den Stein unablässig in seiner Hand. Trotz seiner Neugier hielt er sein Versprechen, die Figur erst in seinem Zimmer genauer anzusehen. Was würde ihm der gemeißelte Stein im Licht enthüllen? Den Geist von Catherine Fitzgerald selbst?
    Sein tief in ihm ruhender Aberglaube riet ihm, den Hügel zu verlassen, bevor geheimnisvolle Wesen kamen, um ihn für immer von hier zu verschleppen. Aber hatte ihm nicht ein anderes geheimnisvolles Wesen auf diesem heiligen Hügel der Kelten längst für immer das Herz gestohlen?
     
    Der Mond ging unter, während er mit raschen Schritten zum Dorf zurückmarschierte. Die Luft hatte sich deutlich abgekühlt, und die Dorfbewohner schliefen. In den engen, gewundenen Gassen hallten seine Schritte auf dem Kopfsteinpflaster. Nur das Gekläffe eines Hundes irgendwo in der Nacht begleitete ihn zum Gasthaus, wo ihm ein gereizter Bernard Riley die Tür öffnete. Patrick bedankte sich, aber Riley winkte mürrisch ab und schlurfte im Nachthemd ins Bett zurück.
    In seinem Zimmer angelangt, stellte Patrick eine Kerze auf die Anrichte, und sah im Schein ihres schwachen Lichtes die keltische Göttin Sheela-na-gig zum ersten Mal. »Großer Gott!«, fluchte er leise, aber geradezu ehrfürchtig, als die Schatten der tanzenden Flamme die kleine Gestalt zum Leben erweckten. »Kein Wunder, dass sie das Ding versteckt hat!«
    Sheela-na-gig, die ihn mit geheimnisvollem Lächeln anstarrte, war die Göttin der Fruchtbarkeit.
    Auf dem Rücken liegend, hatte sie die Beine einladend gespreizt. Mit den Händen hinter ihre Knie greifend, zog sie ihre überdimensionale Vagina auseinander, die das physische Verlangen hatte anschwellen lassen. Gebannt starrte Patrick auf die Figur, in der die urtümliche Vorfreude auf Lust und Fortpflanzung zu Stein geworden war.
    Ihm war, als verkörperte die kleine Göttin aus vorchristlicher Zeit die wahre Seele der Menschen Irlands: Männer und Frauen voller Sinnlichkeit und ungehemmter Lust an der körperlichen Liebe. Doch diese ungezügelte Sinnlichkeit war von der Religion in neue Kanäle gelenkt worden und schlug sich nun in den fanatischen Gebeten und Ritualen der kirchlichen Feiertage nieder.
    Während er Sheela-na-gig betrachtete, hatte er auf einmal das Gefühl, den wilden, freien Teil seiner keltischen Persönlichkeit besser zu verstehen.
    »Danke, Catherine«, flüsterte er mit erstickter Stimme. »Du bist meine Göttin … und das wird immer so sein. Wo immer ich auch hingehe, ich werde dich an diesem Schrein deines Körpers und deines Herzens verehren.«
    Dann packte er die kleine Göttin in den tiefsten und dunkelsten Winkel seiner Reisetasche und setzte sich seufzend auf das schmale Bett, um Stiefel und Gamaschen auszuziehen. Kaum hatte er sich hingelegt, da suchten ihn auch schon merkwürdige Träume heim. Die aufwühlenden Erlebnisse des Abends vermischten sich mit dem Bild eines Hügels am anderen Ende der Welt – eines Hügels, den er selbst nie

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