Auf den Flügeln des Adlers
auf ihre nächste Anweisung wartete. Erleichtert sah Patrick, wie Catherine, gefolgt von dem zweiten Hund, auf die Lichtung trat. Den Saum ihres roten Kleides hatte sie mit der Hand zusammengerafft, um ihn vor dem taunassen Gras zu schützen. Patrick ließ das Messer an seinem Bein verschwinden.
Als Catherine ihren Griff löste, fiel das Kleid um ihre Knöchel auf die weißen Steinplatten. »Sie haben sich nicht von mir verabschiedet, Captain Duffy«, sagte sie ruhig, während die riesigen Hunde an den Rand der Lichtung trotteten. Dort blieben sie sitzen und starrten in den Wald hinein.
»Ich konnte sehen, dass Sie sehr mit Mister Brett Norris beschäftigt waren«, erwiderte Patrick knapp. »Außerdem hatte ich Zweifel, ob meine Abwesenheit für Sie von Bedeutung ist. Immerhin kennen wir einander kaum.«
»An diesem Ort kennen wir uns seit tausenden Jahren«, sagte sie leise, während sie zu seinem Gesicht aufsah, auf das das Mondlicht tiefe Schatten malte. »Seit der Zeit, als dieser Hügel errichtet wurde. Damals waren Sie Cuchulainn und ich, ich war Morrigan«, schloss sie mit einem Flüstern.
»Wer war Cuchulainn?«
»Ein legendärer Krieger des alten Irland, der viele Feinde tötete – so wie Sie, wenn ich mich nicht irre. Ihm gelang alles, was er sich vornahm. Außerdem war er ein Sohn des Sonnengottes, aber dann kamen die Christen und löschten die Erinnerung an ihn aus.«
»Und wer war Morrigan?«
»Die Göttin, der Cuchulainn einen Großteil seines Kriegserfolges verdankte.«
»Liebten sie einander?«
Seufzend wandte Catherine den Blick ab. Dann sah sie erneut zu ihm auf. »Ich glaube, Sie sollten eines Tages nach Irland zurückkehren, um die Antwort auf diese Frage zu finden, Captain Duffy«, sagte sie traurig. »Sie steht in den alten Schriften, die die Mönche in ihren muffigen Archiven aufbewahren.«
Patrick sah in Catherines Augen, die in der Nacht fast schwarz wirkten. Welche Vision hatte er hier vor sich? Das war nicht mehr die weltgewandte junge Frau von heute Abend. Vor ihm stand das rätselhafte Mädchen, das ihm mit bloßen Füßen in der Bibliothek ihres Großvaters gegenübergetreten war. »Das werde ich, ich verspreche es Ihnen. Das heißt, wenn Sie nicht mit Mister Brett Norris beschäftigt sind.«
»Er ist ein guter Freund, der mich gern heiraten würde.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Nein. Zumindest noch lange nicht.«
Patricks Hoffnung schwand. Der englische Geck nahm also doch einen wichtigen Platz in ihrem Leben ein. Oder spielte sie immer noch mit seinen Gefühlen? »Ich weiß nicht, wann ich wiederkommen kann«, gab er mit vorgetäuschtem Desinteresse zurück. Auf keinen Fall wollte er, dass sie die Regeln vorgab. »Auf dem Schlachtfeld kann viel geschehen.«
»Ihnen wird nichts passieren, Captain Duffy. Morrigan schützt sie.«
»Ich bin nicht Ihr Cuchulainn, Miss Fitzgerald, sondern ein einfacher Soldat der Königin, der im Kampf den gleichen Gefahren ausgesetzt ist wie jeder andere.« Er zwang sich, seinen Blick aus dem ihren zu lösen. »Aber ich komme zurück nach Irland. Schon allein deshalb, um mehr über die Geschichte dieses Landes und über mich selbst zu erfahren.«
»Nicht, um mich zu sehen?«
»Darauf gibt es im Augenblick keine Antwort«, erwiderte er, während er sich umdrehte, um auf den Atlantik hinauszublicken. »Es ist eine Frage, die nur Sie beantworten können. Nur die Zeit und reifliche Überlegung können Ihnen sagen, was für Sie im Leben wirklich wichtig ist.«
»Und was ist Ihnen im Leben wichtig, Captain Duffy?«, fragte Catherine, als Patrick sich ihr erneut zuwandte. »Die Suche nach sich selbst?«
Ihr gutes Wahrnehmungsvermögen überraschte Patrick. Als ob sie wirklich die verdammte Morrigan wäre, für die sie sich hielt! Ihre unheimliche Gabe, ihn zu durchschauen, irritierte ihn. Seine Gedanken gehörten ihm allein. »Ich muss eines Tages eine Entscheidung treffen, aber dabei kann ich nur verlieren«, erwiderte er bitter. »Ich muss verstehen lernen, wie eine Mutter ihr Kind wissentlich in den Tod schicken kann.«
»Ihre Mutter?«, fragte sie sanft.
Er nickte.
»Wir haben viel mehr gemeinsam, als Sie denken, Captain Duffy. Nur dass ich nie erfahren habe, wer mein Vater war. Zumindest hat Ihr Vater einen Namen und ist in diesem Teil des Landes eine Legende.«
»Ich fürchte nur, die Dorfleute verwechseln ihn mit jemandem.« Auf Patricks Gesicht erschien ein etwas verwirrtes Lächeln. »Allerdings ist es schmeichelhaft, dass der
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