Auf den Flügeln des Adlers
vielen Jahren in den regennassen Hügeln von Burkesland im Kampf gefallen? Hatte nicht eine Kugel seine Mutter getötet? So war es nun sein Schicksal, zu sterben wie ein Mann. Sein Atem ging stoßweise, als er seine Lungen mit der heißen Luft füllte, um sich ein letztes Mal aufzubäumen.
Da trat ein älterer Krieger, mit einem blutbefleckten Speer bewaffnet, aus dem Kreis der spottenden Kalkadoon. Sein Körper war von zahlreichen Narben gezeichnet, und Peter wurde klar, dass er es mit einem erfahrenen Kämpfer zu tun hatte.
Obwohl er auf den Tod vorbereitet war, hoffte er, nicht leiden zu müssen. Im Stillen betete er darum, dass er tapfer sein würde, wenn der Speer seinen Körper durchbohrte. Er wollte den Kalkadoon noch im Tod zeigen, dass er sich mit jedem von ihnen messen konnte. Peter hatte gelernt, einen Speer auch im Nahkampf einzusetzen, doch die lanzenartige Waffe und die Art, wie die Kalkadoon sie verwendeten, unterschieden sich von dem, was er als Jugendlicher von seinem legendären Verwandten Wallarie gezeigt bekommen hatte. Die wilden Bergstämme warfen den Speer nicht, sondern verwendeten ihn häufiger wie eine Stichwaffe.
Wallarie wollte, dass ihm der Fährtenleser in die Augen sah, bevor er ihn aufspießte, und sein trotziger Gegner tat ihm den Gefallen.
Tom!, dachte Wallarie verwirrt. Er blickte in Tom Duffys Augen!
Er zauderte. Peter entging das unerwartete Zögern in den Bewegungen des narbenübersäten Kriegers nicht. Hatte er diesen Mann nicht schon einmal in einem Traum gesehen? Oder sogar im wirklichen Leben? Der fast vergessene Name kam wie ein Zischen von seinen Lippen.
»Wallarie!«
Beide Männer senkten die Waffen und starrten sich an, als sie einander schließlich erkannten. Ein Jahrzehnt der Weißen war vergangen, seit Wallarie den jungen Mann, der der Sohn seines weißen Bruders war, zum letzten Mal gesehen hatte. Die rätselhafte Botschaft des Traumes, der ihn in der uralten Höhle der Nerambura heimgesucht hatte, klang wie ein Echo durch den Kopf des grauhaarigen Kriegers. Er war nach Norden gekommen, um den Letzten zu finden, in dessen Adern noch das Blut seines Volkes floss.
Unter den Kalkadoon, die auf den tödlichen Stoß des fremden Darambal warteten, der aus dem Süden zu ihnen gekommen war, wurde unruhiges Gemurmel laut. Warum hatte der Darambal seinen Speer vor dem verhassten Feind gesenkt?
Da trat Wallarie vor, um seinen Verwandten zu begrüßen.
2
Ohne sich um den kalten, monotonen Nieselregen zu kümmern, starrte Patrick Duffy, Captain der Armee der Königin, auf das Keltenkreuz mit der Aufschrift molly O’ROURKE. Das Grab war von Blumen bedeckt, die der irische Frühling hervorgebracht hatte und die im Winter zu dürrem Gestrüpp vertrocknen würden.
Hier lag also die Frau, die ihn vor zweiundzwanzig Jahren der Obhut der Familie seines Vaters im fernen Sydney übergeben hatte, dachte er düster.
Kerzengerade stand er am Fuß des Grabes und hing seinen bitteren Gedanken nach. Lady Enid Macintosh – seine Großmutter mütterlicherseits – hatte ihm die Umstände seiner Geburt geschildert: wie das alte irische Kindermädchen, das einst in ihren Diensten gestanden hatte, ihn vor seiner Mutter gerettet hatte. Diese hätte ihn sonst auf eine der berüchtigten Babyfarmen Sydneys geschickt, um ihn loszuwerden. Doch Molly hatte ihn in Sicherheit gebracht und vertrauensvoll seiner Tante Bridget und seinem Onkel Frank vom Gasthof Erin in Sydney in die Arme gelegt.
Es war eine traumatische Nacht gewesen, hatte man Patrick erzählt, denn in jener Nacht hatten die Duffys erfahren, dass sein Vater in den neuseeländischen Maorikriegen ums Leben gekommen war. Ein Leben genommen, ein anderes gegeben, lautete Onkel Francis’ pragmatischphilosophischer Kommentar.
Patrick war ein großer, breitschultriger junger Mann. Bis auf die smaragdgrünen Augen glich er seinem Vater Michael Duffy aufs Haar. Seine Augen verdankte er seiner Mutter, der schönen Fiona Macintosh.
Doch die war nun Fiona White, Gattin von Granville White, jenem Mann, der die mächtigen Finanzunternehmen der Macintoshs kontrollierte. Deren Handelsimperium reichte von riesigen Besitzungen in England und Australien bis zu Transport- und Handelsgesellschaften im Pazifikraum, in Asien und Indien. Ein Finanzkonglomerat mit Wurzeln in England, das seine Arme über den gesamten Globus bis an die fernen Grenzen des britischen Empire von Königin Viktoria ausstreckte.
Für einen Augenblick verschleierten sich die
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