Auf den Flügeln des Adlers
Besitzverhältnissen unkommentiert. Er war zwiegespalten, weil er zur berittenen Eingeborenenpolizei gehörte und damit Vertreter der Krone war, aber er war auch halb Aborigine, und eben diese Hälfte sympathisierte mit den Stämmen, die er jagte. Obwohl er die beste Ausbildung erhalten hatte, die ihm seine Tante Kate Tracy hatte verschaffen können, war er für die weiße Gesellschaft immer noch ein Schwarzer, ein Nigger und Halbwilder. Als Polizist galt er als halber Eingeborener.
»Bitte erklär mir«, fuhr Gordon pragmatisch fort, »warum du Inspektor Potters Entscheidung, die Kalkadoon bis in die Berge zu verfolgen, für einen Fehler hältst.«
Peter beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Inspektor Potter hat die Kalkadoon unterschätzt. Seiner Ansicht nach waren sie im Kampf unterlegen, und das hat ihn und die Patrouille das Leben gekostet.«
»Aber du hast überlebt, Peter. Wie das?«
Die Frage traf Peter unvorbereitet. Die Begegnung mit Wallarie hatte er in keinem seiner Berichte erwähnt. Wie konnte er diesen klug geplanten Hinterhalt allein überleben?
»Wallarie hat mich gerettet«, antwortete er leise. »Er war bei ihnen.«
Gordon zuckte zusammen, als hätte er ihm eine Ohrfeige versetzt. Wallarie! Der Krieger, der sie beide die Gebräuche der Darambal gelehrt hatte, als er und Peter klein waren. Der Zauberer, den die Eingeborenenpolizei seit Jahren vergeblich jagte und der in die Mythen des Grenzlandes eingegangen war. Der Mann, dessen Name und Existenz für den alten Fluch standen, der auf seinem Vater gelegen hatte. Das Wesen, das gleichzeitig Freund und Feind war. »Wallarie lebt?«
Peter nickte. Gordon starrte auf den Schreibtisch, während er versuchte, Ordnung in seine Gedanken und Gefühle zu bringen. Eine schreckliche Unentschlossenheit hatte ihn in Aufruhr versetzt, aber jetzt war ihm klar, wie er handeln musste. Seine Verpflichtung gegenüber dem Gesetz stand über allen persönlichen Gefühlen, die er für seinen alten Lehrer hegen mochte. »Wenn wir ihn gefangen nehmen, wird er mit Sicherheit wegen der Verbrechen, die er damals mit deinem Vater in Burkesland begangen hat, vor Gericht gestellt und gehängt.«
»Einen Geist kann man nicht fangen«, sagte Peter leise. »Niemand wird Wallarie jemals gefangen nehmen.«
»Er mag ja vieles sein, aber ich fürchte, deine Eingeborenenhälfte vernebelt dein Urteilsvermögen«, sagte Gordon verärgert. »Wallarie ist ein Schwarzer, der wegen Mordes an Weißen gesucht wird, nicht mehr.«
»Er war einmal dein Freund, und er hat deinen Vater gerettet, obwohl er allen Grund hatte, ihn den Speeren der Kyowarra zu überlassen. Erinnerst du dich nicht an diesen Tag? Damals waren wir noch Kinder.«
»Ich erinnere mich«, brachte Gordon mühsam heraus. »Aber wir sind dem Gesetz dieser Kolonie verpflichtet. Das darfst du nie vergessen, wenn du deinen Platz neben uns einnehmen willst.«
»Neben uns?«, konterte Peter. »Nicht bei uns? Nein, nicht bei uns, weil ich trotz meiner Erziehung, und obwohl ich halb weiß bin, für euch immer ein Schwarzer bleiben werde. Und genauso denkst du über meine Schwester.«
»Halt den Mund, bevor du etwas sagst, das du später bereuen könntest«, brauste Gordon auf. Peter hatte einen wunden Punkt getroffen. »Lass Sarah aus dem Spiel. Ich warne dich als Freund und nicht als dein vorgesetzter Offizier.«
Aber Peter war wütend, so wütend, dass er auch eine Warnung von Gordon als Vorgesetztem ignoriert hätte. Dass Gordon seine schöne Schwester begehrte, machte Peter schon seit geraumer Zeit zu schaffen. Die drei waren gemeinsam aufgewachsen, und Sarah war bei ihren wilden Kinderspielen immer dabei gewesen. Doch als sie älter wurden, fiel Peter auf, dass sich ihre Haltung gegenüber Gordon veränderte. Sie begann, die rauen Spiele der Jungen zu meiden, und verhielt sich merkwürdig, wenn sein bester Freund zugegen war. Als Peter alt genug war, um selbst die Wirkung des anderen Geschlechts auf sich zu spüren, wurde ihm klar, was hinter ihrem Verhalten stand. Er hatte deutlich vor Augen, wohin das führen konnte. Jetzt war er wütend genug, die Angelegenheit zur Sprache zu bringen und seinem aufgestauten Groll Luft zu machen.
»Nein, ich werde nicht den Mund halten. Ich werde dir erklären, wie das bei uns Schwarzen läuft. Meine Schwester ist eine Frau, die etwas mit ihrem Leben anfangen könnte. Sie ist klug, und eine Menge heiratsfähiger Burschen in Townsville würden darüber ›hinwegsehen‹, dass sie ein
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