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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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er Saul liebevoll den Kopf tätschelte. »Wo unsere Deborah doch in Europa ist.«
    Kinder1., dachte Saul wütend. Er war kein blödes Kind. Nein, sobald sich die Gelegenheit bot, würde er nach Jerusalem zurückkehren. Von ihm aus konnten Jonathan und Rebecca hier bleiben, aber sein Platz war an der Seite seines Vaters, mit dem er durch den Busch reiten und die kleine Viehherde bewachen würde.
    »Du bleibst bei uns, Willie«, sagte Judith, während sie Rebecca über die Veranda zu den Dienstbotenquartieren führte, die sich wie eine Miniaturausgabe des Haupthauses hinter diesem erhoben. In der Waschküche konnte sie die Kleine abschrubben und ihr eines von Deborahs alten Kleidern anziehen, die die sentimentale Judith sorgfältig aufbewahrt hatte. Ihre Tochter war zu einer schlanken, dunkeläugigen Schönheit herangewachsen, deren Stimme das Publikum der großen Opernhäuser Europas in ihren Bann zog. Ihr Ruf als Sängerin hatte sogar den amerikanischen Kontinent erreicht, wo sie in wenigen Monaten auf Tournee gehen sollte.
    Manchmal holte Judith die sorgfältig eingelagerten Kleidchen hervor und betrachtete sie eingehend. Wie die Zeit verging – eben noch war ihre Tochter ein schmutziges kleines Mädchen gewesen, das im Staub von Queensland mit ebenso schmutzigen Grenzerkindern herumtobte, und jetzt war sie eine elegante junge Dame, die vor den gekrönten Häuptern Europas auftrat. Judith hatte immer gewusst, dass Ruhm und Reichtum auf ihre Tochter warteten.
    Als Rebecca frisch gewaschen in einem von Deborahs alten Kleidern erschien, erkannten ihre Brüder die kleine Schwester kaum wieder, die ihre spöttischen Gesichter mit finsteren Blicken quittierte. Doch das Grinsen verging ihnen schnell, als Judith sagte: »Jetzt seid ihr dran, Jonathan und Saul.«
    Das war ein Angriff auf ihre Männlichkeit, der sie erschauern ließ. Was fiel dieser großen, strengen Frau ein, sie herumzukommandieren wie kleine Kinder? Zumindest Saul dachte so.
    »Ich will nicht, dass ihr heute Abend wie Schmutzfinken bei Missus Tracy zum Essen erscheint.« Mit diesen Worten griff Judith mit der einen Hand nach der Seife, mit der anderen packte sie Saul am Kragen.
    Auch Willie wusch sich und legte die saubere Arbeitskleidung an die Solomon aus dem Laden geholt und ihm geschenkt hatte. Er hatte die Gabe dankbar angenommen. Nun saß er an Kate Tracys Tisch und starrte die Frau an, die, obwohl sie an der Schwelle zum vierten Lebensjahrzehnt stand, immer noch die heitere Schönheit besaß, die sie ausgezeichnet hatte, als er und seine Mutter ihr vor zehn Jahren auf den Goldfeldern am Palmer zum ersten Mal begegnet waren. Zeit und harte Arbeit hatten ihr nichts anhaben können. Aber sie war nicht nur schön, sondern auch voller Mitgefühl. Weder Macht noch Ansehen noch das riesige Vermögen, das sie erworben hatte, hatten daran etwas ändern können. Nach seiner Mutter spielte Kate im Leben des jungen Mannes die wichtigste Rolle.
    Die Wölbung ihres Leibes war unübersehbar. Dann würde ihr größter Traum also endlich wahr werden, dachte er. Ein eigenes Kind zu haben. Er wusste, welches Unglück sie im Leben immer wieder getroffen hatte.
    »Willie, nimm dir so viel Lamm, wie du willst«, sagte Kate freundlich. »Das ist bestimmt eine Abwechslung nach dem Rindfleisch, das ihr in Jerusalem immer gegessen habt.«
    »Danke, Missus Tracy«, erwiderte er leise.
    Kate warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Der stille Kummer um den Verlust seiner Mutter lag wie ein schwerer Mantel über dem armen Jungen. Kate kannte den Tod, weil er in ihrem eigenen Leben ständig gegenwärtig gewesen war. Ihr Vater war auf Befehl des schottischen Siedlers Donald Macintosh von Morrison Mort, damals Lieutenant der berittenen Eingeborenenpolizei, ermordet worden. Ihr ältester Bruder war Jahre später von einem Beamten derselben Truppe in Burkesland erschossen worden. Und schließlich der Tod ihrer Babys. Sie hatte gelernt, mit ihrem vorzeitigen Ende zu leben, aber es fiel ihr schwer, mit den Erinnerungen umzugehen.
    Das Essen in dem eleganten, geräumigen Haus, in dem Luke und Kate lebten, spielte sich in einer Atmosphäre gedämpfter Höflichkeit ab, wurde aber von Jennifers Tod überschattet. Willie saß schweigend am Tisch und stocherte mit der Gabel in seinem Essen herum, während die Cohens und Kate ihre geschäftlichen Vereinbarungen und künftigen Expansionspläne diskutierten, als säßen sie in einer Vorstandssitzung. Die ungewöhnliche Allianz zwischen der Irin

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