Auf den Hund gekommen
haben keine andere Wahl.«
»Ist gut.« Roddy schluckte. »Fangen wir an. Ich glaub, noch mal ertrag ich’s nicht.«
Ich wußte genau, was er meinte. Meine Knie zitterten, und ich war der festen Überzeugung, daß ich bei Jakes nächstem Zusammenbruch ebenfalls ohnmächtig würde.
Ich nahm eine Schere zur Hand und schnitt das Fell über dem Kehlkopf weg. Da mir eine Vollnarkose zu riskant erschien, wandte ich statt dessen örtliche Betäubung an, bevor ich den Bereich desinfizierte. Glücklicherweise lag ein frisch sterilisierter Instrumentensatz bereit. Ich zog die Schale heraus und plazierte sie auf dem Rollwagen neben dem Tisch.
»Halten Sie den Kopf ganz fest«, sagte ich heiser und nahm das Skalpell zur Hand.
Ich schnitt durch Haut, Faszie und dünne Muskelschichten, bis ich zum Kehlkopf vordrang. Dies war ein Eingriff, den ich noch niemals an einem lebenden Hund vorgenommen hatte, doch die Verzweiflung war stärker als jedes Zaudern, und so hatte ich nach einigen Sekunden die dünne Membran aufgeschnitten und konnte hineinspähen.
Und siehe da – ein Kieselstein, grau, glänzend und winzig, doch groß genug, um zu töten.
Schnell und sauber mußte ich ihn entfernen, ohne ihn in die Luftröhre zu schieben. Ich lehnte mich zurück und durchsuchte die Schale, bis ich eine geeignete Pinzette gefunden hatte, mit der ich mich der Wunde näherte. Berühmte Chirurgen, dessen war ich mir sicher, hatten gewiß nie derart gezittert, auch keuchten diese Männer nicht, wie ich es in diesem Augenblick tat. Doch ich biß die Zähne zusammen, führte die Pinzette hinein, und wie durch ein Wunder bekam ich eine ruhige Hand, als sie sich um den Kieselstein schloß.
Auch hörte ich auf zu keuchen. Genaugenommen atmete ich überhaupt nicht mehr, als ich den kleinen, glänzenden Gegenstand durch die Öffnung herausholte und mit einem leisen ›Klink‹ auf den Tisch fallen ließ.
»Fertig?« flüsterte Roddy.
»Fertig.« Ich nahm Nadel und Faden zur Hand. »Jetzt ist alles gut.«
Das Nähen dauerte lediglich ein paar Minuten, doch bevor ich fertig war, scharrte Jake bereits wieder ungeduldig mit den Pfoten, munter und lebensfroh, zu allen Schandtaten bereit. Er schien zu wissen, daß sein Leiden ein Ende hatte.
Roddy brachte ihn zehn Tage später zum Fädenziehen noch einmal in die Praxis. Es war der Morgen, an dem er den Darrowby District verlassen würde, und nachdem ich die paar Seidenfäden von der makellos verheilten Wunde entfernt hatte, begleitete ich ihn zur Tür, während Jake um seine Beine herumsprang.
Auf dem Gehsteig vor Skeldale House stand der uralte Kinderwagen in seiner ganzen rostigen Würde. Roddy schlug das Verdeck auf. »Auf, mein Junge«, murmelte er, und der große Hund sprang mühelos an seinen angestammten Platz.
Roddy nahm den Griff in beide Hände, und als die Herbstsonne jäh durch die Wolken brach, wurde ein Bild ins Licht getaucht, das zu einem festen Bestandteil unserer alltäglichen Szenerie geworden war. Die Golfjacke, das offene Hemd über der braunen Brust, das schöne Tier in aufrechter Haltung, das anmutig um sich blickte.
»Also, bis dahin, Roddy«, sagte ich. »Ich nehme doch an, daß Sie mal wieder in diese Gegend kommen.«
Er wandte sich um, und ein letztes Mal bekam ich dieses unverkennbare Lächeln zu sehen. »Jawoll, schätze schon.«
Er schob den Kinderwagen an, und da gingen sie hin, das seltsame Gefährt knarrte, und Jake schwankte leicht hin und her, als sie die Straße hinuntergingen. In dem Moment erinnerte ich mich daran, was ich an jenem Abend in der Praxis unter dem Verdeck gesehen hatte. Den Rucksack, in dem sich wohl sein Rasierer, Handtuch, Seife und noch einige andere Dinge befanden. Das Päckchen Tee und die Thermoskanne. Und noch etwas – ein winziges Hundehalsband. Hatte es Jake als Welpen gehört oder einem anderen geliebten Tier? Diese Frage spann noch ein weiteres Geheimnis um den Mann... und erklärte gleichzeitig einiges andere. Der Farmer hatte recht gehabt: Alles, was Roddy besaß, befand sich in dem Kinderwagen.
Und es schien, als sei dies auch alles, wonach er verlangte. Denn als er um die Ecke bog und aus meinem Blickfeld verschwand, hörte ich ihn pfeifen.
6 - Gyp bellt nie
»IN DIESER FORM ÄUSSERT SICH DAS ALSO?« fragte ich. »Sie erzählten mir ja bereits davon.«
Mr. Wilkin nickte. »Ja, genau. Es ist jedesmal das gleiche.«
Ich sah auf den hilflos zuckenden großen Hund, der zu meinen Füßen lag; sah den starren Blick und die
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