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Auf den Hund gekommen

Auf den Hund gekommen

Titel: Auf den Hund gekommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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während das andere flach anlag, was ihm ein ausgesprochen liebenswertes und noch dazu komisches Aussehen verlieh. Ein bißchen erinnerte Gyp an einen Clown, an einen Clown, der Freundlichkeit und Kameraderie ausstrahlte.
    Schließlich sagte Mr. Wilkin: »Wird sich diese Sache bessern, wenn er älter wird?«
    »Nein, das ist nicht anzunehmen«, erwiderte ich.
    »Er wird also immer diese Anfälle bekommen?«
    »Ich fürchte ja. Wie Sie sagen, bekommt er sie alle zwei oder drei Wochen – dabei wird es vermutlich mit gelegentlichen kleinen Abweichungen auch in Zukunft bleiben.«
    »Aber er könnte auch mitten in einer Prüfung einen bekommen?«
    »Ja.«
    Der Bauer ließ den Kopf auf die Brust sinken. Die schicksalsschweren Worte wurden immer unvermeidlicher. Es war nicht Sep Wilkins Art, bei einer Frage zu zögern, die seine vorherrschende Leidenschaft betraf. Sicher vertrat er die Ansicht, jedes Tier, das nicht den Anforderungen entsprach, müsse unbarmherzig beseitigt werden.
    Als er sich schließlich räusperte, glaubte ich seine Worte zu kennen.
    Aber ich irrte mich.
    »Wenn ich ihn behielte, könnten Sie etwas für ihn tun?« fragte er.
    »Vielleicht könnte man mit Tabletten etwas machen. Gut möglich, daß die Anfälle dadurch seltener werden.« Ich bemühte mich, ihn nicht merken zu lassen, wie erleichtert ich war.
    »Na gut... dann komme ich in den nächsten Tagen zu Ihnen und hol mir welche«, murmelte er.
    »Abgemacht. Aber... hm... Sie werden ihn nicht zur Zucht verwenden, nicht wahr?«
    »Nein, nein«, brummte der Bauer. Seine Stimme klang leicht gereizt, als wolle er nicht weiter über die Sache sprechen.
    Ich wechselte rasch das Thema und plauderte, als wir zum Wagen gingen, unbekümmert über das Wetter. Ich hatte das Gefühl, daß er bereit war, den Hund einfach als Haustier zu behalten, aber diese Schwäche nicht einzugestehen wünschte. Seltsam, wie die Dinge sich plötzlich ineinanderfügten und einen Sinn ergaben. Das also war der Grund, weshalb er sich von Sweep getrennt hatte. Er hatte Gyp einfach gern. Offensichtlich war Sep Wilkin, so bärbeißig er sonst auch sein mochte, dem eigenartigen Charme dieses Tiers erlegen.
    Als ich losfahren wollte, kam der Bauer noch einmal auf den Hund zu sprechen. »Ich weiß nicht, ob es was mit dieser Sache zu tun hat oder nicht«, sagte er, sich zum Fenster hinunterbeugend. »Gyp hat noch nie in seinem Leben gebellt.«
    Ich sah ihn überrascht an. »Niemals?«
    »Nein, nicht ein einziges Mal. Die anderen Hunde machen einen Riesenradau, wenn ein Fremder auf den Hof kommt, aber Gyp habe ich noch nie einen Laut von sich geben hören.«
    »Das ist wirklich sehr sonderbar«, sagte ich. »Aber ich glaube nicht, daß es etwas mit seiner Epilepsie zu tun hat.«
    Und als ich den Motor anließ, bemerkte ich tatsächlich, daß Gyp mich trotz des lautstarken Abschiedsgebells der anderen Hunde lediglich auf seine kameradschaftliche Art mit offenem Maul und heraushängender Zunge ansah, ohne einen Ton von sich zu geben. Ein stummer Hund.
    Die Sache interessierte mich, und sooft ich in der folgenden Zeit auf dem Hof war, beobachtete ich den großen Schäferhund aufmerksam bei allem, was er tat. Aber es war immer das gleiche. Zwischen den Anfällen, die jetzt mit ziemlicher Regelmäßigkeit etwa alle drei Wochen auftraten, war er ein gesundes, lebhaftes Tier. Nur daß er nicht bellte.
    Wenn Mr. Wilkin an den Markttagen nach Darrowby kam, saß Gyp oft hinten im Wagen. Sprach ich bei diesen Gelegenheiten mit Mr. Wilkin, vermied ich das Thema, denn ich hatte, wie gesagt, das Gefühl, daß er – noch weniger als die meisten anderen Bauern – auf keinen Fall in den Verdacht geraten wollte, er hielte seinen Hund aus anderen Gründen als zum Zweck der Arbeit.
    Und doch bin ich seit langem davon überzeugt, daß die Hunde, die man auf den Höfen findet, mehr oder minder Haustiere sind. Natürlich stellen sie beispielsweise für die Bauern, die sich mit Schafzucht befassen, unentbehrliche Arbeitstiere dar, und auch auf vielen anderen Höfen erfüllen sie zweifellos eine nützliche Aufgabe. Aber nach dem, was ich so auf meinen täglichen Runden beobachte – wenn sie etwa beim Einfahren des Heus hoch oben auf den Wagen schaukeln oder, wenn das Korn geerntet wird, zwischen den Getreidegarben Ratten nachjagen, vor den Stallungen herumlungern oder neben dem Bauern über die Felder streifen –, frage ich mich... was tun sie wirklich?
    So beharre ich bis heute auf meiner Theorie: Die

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