Auf den Inseln des letzten Lichts
sagte, ertrunken, aber vielleicht hat er gelogen.«
»Warum sollte er?«
»Ich weiß nicht.«
»Es ertrinken immer wieder Menschen in diesen Gewässern.«
Tobey schloss die Augen, lehnte sich gegen die Wand.
Der Mann zündete sich eine Zigarette an. »Was wissen Sie über uns, Tobey?«
»Nichts.«
»Tanvir hat Ihnen nichts erzählt?«
»Nur, dass Sie die Drogen verkaufen. Und dass Sie sich nicht auf einen Namen einigen können.«
»Ach, der Name. Ein leidiges Thema. Einige meiner Mitstreiter setzen auf Gewalt. Sie wollen eine Revolution, einen Umsturz, je schneller und blutiger, desto besser. Ich bin für Bewegung, für Wandel und Geduld. Wieschon gesagt, ich lehne das Töten von Menschen ab, ganz unabhängig vom Ziel, das verfolgt wird.«
»Warum lassen Sie mich dann nicht einfach gehen?«
»Ich bemühe mich um Ihr Leben, mehr kann ich nicht tun.«
Tobey öffnete die Augen. Die Tür ging auf, und der Dürre mit dem Karabiner rief etwas. Der Mann stand auf und ging zu ihm. Als er sich umdrehte, hielt er Tobeys rechten Schuh in der Hand.
»Der gehört Ihnen«, sagte der Mann, trat vor Tobey und legte den Schuh auf die Pritsche.
»Ich brauche ihn nicht.«
»Jeder Mensch braucht ein Paar Schuhe. Dank der MMP geht kein Kind auf dieser Insel mehr barfuß.«
»Was heißt das, Sie bemühen sich um mein Leben?«
Der Mann seufzte. »Die Hitzköpfe sagen, Sie seien ein Risiko und müssten weg.« Er setzte sich. »Ich sage, wir bringen Sie auf die Insel und warten ab, was passiert. Tanvir ist verschwunden, der Drogenhandel eingestellt, zumindest vorläufig. Alles wird sich beruhigen.«
»Tanvirs Insel? Was soll ich da?«
»Darüber machen Sie sich Gedanken? Sie wären am Leben!«
Tobey sah zu Boden. Der Fuß war nicht mehr geschwollen.
»Soll ich Ihnen noch etwas zu essen bringen lassen?«
Tobey schüttelte den Kopf.
Der Mann sah Tobey an, als müsste er sich sein Gesicht einprägen für eine Zeit, in der es Tobey nicht mehr gab, nur noch die Erinnerung an ihn. Nach einer Weile stand er auf, nahm das Kissen in die eine und den Stuhl in die andere Hand und ging zur Tür.
»Bitte helfen Sie mir«, sagte Tobey.
Der Mann drehte sich um. »Das werde ich«, sagte er, dann verließ er den Raum. Die Tür wurde zugeschoben und das Schloss verriegelt.
Tobey saß da und betrachtete den Schuh, der neben ihm auf der Pritsche lag. Er nahm die Einlegesohle heraus und war nicht erstaunt, dass der Pass weg war. Er bewegte den verstauchten Fuß, der Schmerz war erträglich. Der Schuh fühlte sich innen noch immer feucht an. Tobey dachte daran, nach den Scheinen zu sehen, ließ es dann aber bleiben. Plötzlich kam ihm die Idee, mit dem Geld seine Freilassung zu erkaufen,und er rief nach dem Wärter und warf den Schuh gegen die Tür, doch niemand schien ihn zu hören. Er legte sich hin und schloss die Augen, lauschte dem von weit her an sein Ohr dringenden hohen, gleichmäßigen Trällern eines Vogels, bis er merkte, dass es das Klingeln eines Telefons war, das jäh verstummte. Der Mann würde ihm nicht helfen können oder wollen, also würde er sterben, davon war er überzeugt. Er musste an Jason Dwyer denken, der tot war und alles hinter sich hatte. An einer Überdosis Heroin zu sterben erschien ihm nicht mehr so entsetzlich wie damals, als der Gedanke an den eigenen Tod nichts weiter gewesen war als das schwache Aufleuchten einer Ahnung, die verschwommene Vorstellung eines Ereignisses, das in so weiter Ferne lag, dass man seinen Schrecken nicht ermessen konnte. Er hatte sich nie einen Schuss gesetzt; Alkohol, Marihuana, Kokain und synthetische Drogen hatten ihm gereicht, um kreative Höhenflüge zu erleben, um sich unsterblich zu fühlen oder zumindest lebendig, um die Enge der schäbigen Zimmer, die Kälte im Übungsraum, die Absagen der Musikstudios zu ertragen. Jetzt hätte er alles dafür gegeben, sich das warme Gift zu spritzen, wegzudämmern und nicht mehr zurückzukommen.
Tobey war müde, aber schlafen konnte er nicht. In regelmäßigen Abständen nickte er ein und fiel, von Traumfetzen umhüllt, in bodenlose Tiefe, nur um Sekunden später aufzuschrecken und an die Wände der Zelle zu starren, die noch kleiner geworden zu sein schien, seit die Petroleumlampe ausgegangen war. Einmal träumte er, Montgomery sei bei ihm, und als er aufwachte, saß der Bonobo am Fußende der Pritsche und sah ihn an. Tobey streckte die Hand aus und Montgomery berührte sie mit der Fingerspitze. Er richtete sich auf und wollte
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