Auf den Inseln des letzten Lichts
war, wo manchmal Livekonzerte stattfanden. An den ruhigen Montagabenden wollte Simon es mit einer Art Talentshow versuchen, bei der unbekannte Bands um die Gunst des Publikums spielten. Er hörte sich eine Demo-CD der Band an, die einmal mehr den Namen gewechselt hatte und jetzt The Spectators hieß, und fand das Material ungewöhnlich genug, um den vier Jungs eine Chance zu geben. Nach vier Lektionen in Moderner Lyrik, die ihn zu keinem besseren Songtexter gemacht hatten, brach Tobey den Kurs ab und sah Janet Devlin nie wieder, doch an der Abmachung mit ihrem Bruder änderte sich nichts. Obwohl Jason nichts von Talentwettbewerben hielt, fehlten ihm die Argumente gegen einen Auftritt in einem Club im angesagten Temple Bar. Sie probten ab sofort noch öfter und stellten zwei Sets zu je fünf Songs zusammen, die auf Tobeys und Owens Drängen hin weniger punklastig waren. In Kostüme ließen sie sich auch nicht mehr stecken.
Dann wurde Dermot von seiner Frau vor die Tür gesetzt, einen Tag nach ihrem dreißigsten Geburtstag und fünf Jahre zu spät, wie sie ihm aus dem Wohnzimmerfenster zurief, tränenerstickt und doch voller Wut. Sie hatte seine Habseligkeiten in den schrottreifen Datsun gepackt, der zu seiner Bleibe wurde. Die ersten zwei Tage nach der Trennung verbrachte er im Auto auf einem Parkplatz in Clontarf, wo er nachts die Lichter der Fähren und Frachter in der Dublin Bay sehen konnte. Er stellte sich die Passagiere an Bord der Schiffe als glückliche Menschen vor, als von Zuversicht beseelte Wesen, deren Wünsche unter dem Glitzern der Sterne in Erfüllung gingen. Er fand eine Haarspange von Helen im Handschuhfachund weinte. Er hörte Radio, bis die Autobatterie leer war. Als ein Polizist mit der Taschenlampe in seine Elendshöhle leuchtete und ihn zum Aussteigen aufforderte, rief er Raymond an, den Sohn der einzigen Schwester seiner Mutter. Weil das Auto nicht mehr ansprang, mussten sie es stehenlassen und auf Raymonds Motorroller nach Drumcondra fahren, wo Raymond in einem Zweizimmerapartment wohnte.
Tagsüber lag er in Raymonds ehemaligem Arbeitszimmer auf einem Klappbett und wälzte sich in Selbstvorwürfen und Selbstmitleid. Am späten Nachmittag, bevor Raymond nach Hause kam, verließ er die Wohnung und setzte sich in eine Bar, wo er jede Stunde ein Bier bestellte und hoffte, die dicke Kellnerin würde sich an seinen Tisch setzen und ihm zuhören. Wenn die Bar schloss, ging er in eine, die noch geöffnet hatte, dann in den Griffith Park. Im ersten Tageslicht, das sich langsam von den Rändern her über die Stadt legte, machte er sich auf den Rückweg, blieb in der Nähe des Hauses stehen und wartete, bis Raymond auf dem Roller davonfuhr, ging in sein Zimmer und fiel endlich in einen von Träumen zerfaserten Schlaf, aus dem er nach wenigen Stunden wieder erwachte, erschlagen und durstig.
Eines Nachts stolperte er betrunken aus einer Bar auf die Straße, genau vor ein Taxi. Der Wagen erwischte sein linkes Bein, brach sein Schienbein und zertrümmerte seine Kniescheibe. Das Taxi war gerade erst losgefahren, die Wucht des Aufpralls entsprechend gering. Dennoch wurde Dermot zwei Meter weit zurück auf den Gehsteig geschleudert, vor die Füße einer Frau, die einen solchen Schock erlitt, dass die Sanitäter, die kurz darauf eintrafen, sich auch um sie kümmern mussten. Dermot lag auf dem nassen Asphalt und sah in den Nachthimmel. Er spürte nichts. Es war angenehm, hochgehoben und davongefahren zu werden, eingetaucht in wirbelnde gelbe Lichtfetzen und Sirenengeheul, schaukelnd und schlingernd, süßen Stoff in den Venen, der einen wegdämmern ließ.
Die Band besuchte ihn im Krankenhaus. Er lächelte, als sie das Zimmer betraten, in dem er mit fünf anderen Männern lag. Auf allen Nachttischen stapelten sich Illustrierte, Bücher, Obstkörbe und Teller voller Süßigkeiten, nur seiner war bis auf einen Wasserkrug und ein Glas leer. Tobey legte ihm die neueste Ausgabe des Rolling Stone auf die Bettdecke, Jason einen Flyer des Clubs, in dem sie in drei Wochen auftreten sollten, undOwen eine Tafel Schokolade aus dem Laden neben der Klinik. Sie standen um das Bett herum und hörten sich die Geschichte des Unfalls an, die mit dem Zusammenstoß begann und mit dem Erwachen nach der Operation endete. Dass Dermot betrunken gewesen war und weshalb, konnten sie sich denken. Nachdem er nicht zur Montagsprobe erschienen war, hatten Tobey und Jason ihn gesucht und von einer Nachbarin erfahren, Helen sei zu ihren
Weitere Kostenlose Bücher