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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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nächste Fotografie hin. Auch auf dieser war ein liegender Hund zu sehen, nur mit dem Unterschied, dass sein Fell schmutzig war und an einer Stelle, am Hals, dunkel und verfilzt. Megan nahm das dritte Bild in die Hand und betrachtete es.
    »Sie sind tot«, sagte sie nach einer Weile.
    »Ja.« Raske gab Megan die nächste Fotografie, dann noch eine, so lange, bis ein kleiner Stapel vor ihr lag.
    »Tote Hunde«, sagte Megan.
    »Neunzehn«, sagte Raske.
    »Haben Sie sie getötet?«
    »Nein.«
    »Wie kommt man auf so etwas?«
    »Durch Zufall.« Raske nahm die oberste Fotografie vom Stapel. »Es hat mit einem angefangen. In Cadiz, Spanien.« Er griff nach dem nächsten Bild. »Dann fand ich den hier. Garrison, North Dakota.«
    Megan lehnte sich zurück und trank ihr Bier.
    »Lublin, Polen. Winnipeg, Kanada. Salima, Malawi. Lagos, Nigeria. Guayamas, Mexico. Medellin, Kolumbien. Manaus, Brasilien. El Pilar, Venezuela. Port-au-Prince, Haiti. Bonneville, Utah. Karasburg, Namibia. Adrar, Algerien. Tigre, Argentinien. Khon Kaen, Thailand. Brest, Frankreich. Kassala, Sudan. Kumasi, Ghana.«
    Während Raske die Fotos in die Kiste zurücklegte, trank Megan ihr Glas leer. Dann erhob sie sich.
    »Oh, wollen Sie etwa schon gehen?« Raske stand ebenfalls auf.
    »Ja. Ich bin müde.« Megan dachte daran, zu gähnen, ließ es dann aber bleiben.
    »Sind Sie sicher?« Raske warf einen Blick auf seine Uhr. »Es ist noch nicht mal Mitternacht.«
    »Ich muss mich hinlegen. Es war ein langer Tag.« Megan ging zur offenen Schiebetür, durch die man ins Wohnzimmer gelangte.
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht vertrieben. Mit den Fotos, meine ich.« Raske überholte sie und ging voraus, um das Licht im Flur einzuschalten.
    »Ich bin Tierärztin. Ich habe Schlimmeres gesehen als tote Hunde.«
    »Natürlich.« Raske nahm sein Jackett von der Garderobe.
    »Sie müssen nicht mitkommen.«
    »Ich bestehe darauf.« Raske zog das Jackett an und nahm eine Taschenlampe von einem Regalbrett.
    »Wirklich. Ich finde den Weg alleine.«
    »Es ist dunkel«, sagte Raske und öffnete die Tür. »Sie werden sich verlaufen.« Er schaltete die Taschenlampe ein und wieder aus.
    »Ich habe diese Insel gefunden.« Megan trat ins Freie, wo es etwas kühler war als im Innenhof und ein leichter Wind wehte. »Oder?« Sie streckte den rechten Arm aus, drehte die Handfläche nach oben.
    Raske zögerte, dann gab er Megan die Taschenlampe. »Bitte.« Er machte sich nicht die Mühe, sein Missfallen über Megans eiligen Aufbruch und ihre Sturheit zu verbergen. Mit seinem samtenen Kinn deutete er auf die Ebene. »Geradeaus, rechts am Wald vorbei, beim Platz links.«
    Megan nickte. »Danke für das Essen.« Weil ihr nicht daran gelegen war, den Abend negativ ausklingen zu lassen, zwang sie sich zu einem Lächeln.
    Das schien Raske ein wenig zu besänftigen. »Keine Ursache«, sagte er und setzte ebenfalls ein Lächeln auf. Er ging neben Megan her, der Kies knirschte unter ihren Schuhen. »Jetzt haben wir gar nicht über Ihre Zukunft hier gesprochen.«
    »Ich vermute mal, es gibt keine.«
    »Nun, wir haben bereits einen Arzt, Tanvir. Aber er ist Humanmediziner. Jedenfalls behaupten das die Papiere, die er mir vorgelegt hat.« Raske blieb stehen, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und tat, als müsste er nachdenken. »Wesley hat sich vor einer Woche den Fuß gebrochen. Und Chesters Leberwerte sollten dringend mal untersucht werden. Wenn Ihnen das als Herausforderung genügt?«
    Megan war weitergegangen und blieb jetzt stehen. »Heißt das, Sie bieten mir einen Job an?«
    »Ich biete Ihnen eine langweilige Stelle auf einer langweiligen Insel an, freie Kost und eine armselige Unterkunft. Und etwas Geld.«
    »Ohne meine Papiere sehen zu wollen?«
    »Wenn Sie eine Betrügerin sind, werfen wir Sie ins Meer.« Raske sah Megan ein paar Sekunden lang an, dann grinste er.
    »Vielleicht sollte ich ab morgen regelmäßig schwimmen gehen.«
    Raske, noch immer grinsend, streckte den rechten Arm aus, und Megan ging zu ihm hin, ergriff seine Hand und schüttelte sie. Dann schaltete sie die Taschenlampe ein und marschierte los. Wo der Kiesweg endete und der Pfad durch das Feld begann, blieb sie stehen und sah zurück. Raske stand noch immer da, ein schwarzer Umriss vor dem leuchtenden Hintergrund des Hauses. Megan schaltete die Taschenlampe aus, drehte sich um und lief in die Dunkelheit.

 
    2
     
    Sie hatte schlecht geschlafen. Der Deckenventilator machte beim Drehen ein schleifendes

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