Auf den Inseln des letzten Lichts
noch etwas Kaffee bringen!« Sie sah Megan an und verdrehte die Augen.
Eine Stunde später gingen Megan und Carla am Teich vorbei, nahmen den Weg, der rechts abzweigte, folgten ihm bis zu einem Palmenhain, in dem eine Sau mit ihren Ferkeln herumstreunte, und überquerten dann ein Feld, an dessen Ende ein imposantes Holzhaus stand. Mit seinen zwei Stockwerken, den Dachfenstern, der von einem Geländer eingefassten Veranda, der breiten, sich nach oben verjüngenden Treppe, den hängenden Blumentöpfen und dem mächtigen Baum, dessen Äste den Dachfirst berührten, sah es aus wie eine Kolonialvilla in der Karibik oder ein Herrschaftshaus in den Südstaaten, und Megan dachte bei seinem Anblick, dass nur noch die Hollywoodschaukel fehlte, um das Haus so aussehen zu lassen wie die Häuser auf den Bildern, die ihre Mutter aus Zeitschriften geschnitten und in einem Schuhkarton gesammelt hatte.
Sie blieben auf einem Platz stehen, zehn Meter von der Treppe entfernt, die zur Eingangstür im Schatten der Veranda führte. Unter ihren Füßen lag Muschelkalk, weiß wie Schnee. In einem von glatten, brotlaibgroßenSteinen eingefassten Rondell wuchsen Blumen, die Megan nie zuvor gesehen hatte.
»Eins noch, bevor wir reingehen.« Carla senkte die Stimme, als könnte man sie sonst im Haus hören. »Nancy Preston sieht sich gerne als Chefin von IPREC. Lassen Sie ihr diese Illusion.« Damit schritt sie über den Vorplatz, stieg die Treppe hoch und zog an einer neben der Tür angebrachten Kordel, worauf drinnen vier dumpfe Töne eines Glockenspiels erklangen.
Kaum stand Megan neben Carla, wurde ein Flügel der Doppeltür geöffnet. Der Junge, den Megan auf fünfzehn schätzte, war gekämmt und steckte in sauberer, gebügelter Kleidung. Unter einem Auge hatte er ein großes dunkles Muttermal. Seine rechte Hand lag auf dem Türknauf, in der linken hielt er ein Messer. »Ja?«
»Wir wollen zu Nancy«, sagte Carla.
»Werden Sie erwartet?« Das Englisch des Jungen war einwandfrei. Seine schwarzen Schuhe, weißen Socken, kurzen grauen Hosen und das dunkelblaue Hemd erinnerten an eine Schuluniform. Er hatte weiße, aber schiefe Zähne, und er öffnete den Mund beim Sprechen nur so weit, wie es nötig war. Ein Lächeln schien er sich zu verbieten.
»Nein, werden wir nicht.« Carla klang gereizt. »Aber ich bin sicher, sie wird Zeit für uns haben.«
»Wen darf ich melden?«
»Herrgott, sag ihr einfach, Carla und eine neue Mitarbeiterin seien hier.« Carla stützte sich mit der rechten Hand am Türrahmen ab, zog mit der linken einen Schuh aus, schüttelte ihn und streifte ihn wieder über den Fuß. »Grundgütiger«, murmelte sie.
»Bitte warten Sie hier.« Der Junge schob die Tür zu.
»Ruben ist ein kleines Arschloch«, sagte Carla, nachdem die Schritte des Jungen verklungen waren.
»Was macht er hier?«, fragte Megan. »Ist er so eine Art Hausbursche?«
Carla stieß verächtlich Luft durch die Zähne. »Ja. Aber er denkt, er sei der oberste Zeremonienmeister der Königin von England.«
Die Tür wurde wieder geöffnet, und Ruben ließ Carla und Megan eintreten. »Misses Preston erwartet Sie im Salon.«
Mit einem Stoßseufzer betrat Carla das Haus, und Megan folgte ihr durch den mit Möbeln, Schirmen, Pflanzenkübeln, Vasen und regionalemKunsthandwerk vollgestellten und mit Bildern überfrachteten Flur. An der Treppe vorbei, die ins obere Stockwerk führte, gelangten sie in einen großen lichtdurchfluteten Raum, in dessen Mitte ein Tisch, zwei Stühle und eine Wandtafel standen. Bücher und Hefte lagen auf dem Tisch neben Stiften, einem Tonbandgerät und einem Stoffhasen. Die Wände waren leer, nur vor einer stapelten sich bunte Sitzkissen. Große weißgestrichene Holzkisten bildeten eine Linie.
Megan hob ein Blatt vom Boden auf, das mit ungelenken Zahlen und Buchstaben bekritzelt war. Der Junge eilte an ihr vorbei, überholte auch Carla und betrat durch eine offene weite Tür den Raum, der offenbar der Salon war. Darin saß, in einem wuchtigen Sessel aus braunem, abgenutztem Leder, eine Frau und rauchte. Sie musste um die siebzig sein, schätzte Megan. Ihre Haut war bleich, was durch das lange schwarze und zweifelsfrei teure Kleid, das sie trug und das hier auf beinahe groteske Art fehl am Platz wirkte, noch verstärkt wurde. Das Blond ihrer Haare war stumpf vom Alter und vom Spray, mit dem ihre aufgetürmte Frisur zusammengehalten wurde, unterstützt von scheinbar wahllos verteilten Spangen, Nadeln und Klammern.
Am Boden
Weitere Kostenlose Bücher