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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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neben ihr, auf einem Teppich, saßen die beiden Affen. Chester, der Schimpanse, hielt in jeder Hand einen Bauklotz, starrte aber wie gebannt auf eine Schüssel, die, mit Apfel- und Karottenstücken gefüllt, auf einem Stuhl stand. Er trug eine lange dunkelblaue Hose und ein hellblaues Polohemd. Wesley, dessen Gipsfuß mit farbigen Ornamenten übersät war, blätterte in einem Bilderbuch, hörte jedoch damit auf, als er Megan sah. Der Bonobo steckte in einer weiten roten Hose und einem grünen langarmigen Leibchen.
    In einer Ecke lag, halb unter einem Tisch, ein Hund, ein hellbrauner Labrador. Offenbar schlafend, hatte er beim Eintreten von Megan und Clara nicht einmal den Kopf gehoben. Vielleicht war er taub, dachte Megan.
    »Der Besuch, Ma’am«, sagte der Junge förmlich, fast schon die Parodie eines Butlers gebend.
    »Carla«, rief Nancy in breitem texanischem Akzent, »wie reizend von Ihnen, vorbeizuschauen!« Sie breitete die Arme aus, und Asche fiel von der Zigarette auf die Zeitung auf ihrem Schoß.
    »Entschuldigen Sie, dass ich einfach so hereinplatze, aber ich möchte Ihnen gerne jemanden vorstellen.« Carla bedeutete Megan, zu ihr zu kommen. »Das ist Megan O Flynn. Sie ist Tierärztin.«
    Megan trat neben Carla. »Nett, Sie kennenzulernen.« Sie lächelte die Frau an und ließ sich von den Schuhen bis zum Scheitel mustern.
    »Tierärztin, sagen Sie?«
    Megan nickte. Durch ein großes, bis zum Boden reichendes Fenster zu ihrer Rechten fiel Licht in den Raum. Zwei Wände wurden von Regalen beherrscht, in denen Bücher standen, den ledernen Einbänden nach zu urteilen alte Ausgaben, Klassiker, vielleicht wissenschaftliche Werke. Neben einem Sofa, auf einer Kommode aus schwarzem, glänzendem Holz, an deren Ecken sich geschnitzte, mit Blättern, Blüten und Beeren behangene Äste hochrankten, standen eine Pendule und eine leere Vase, daneben lagen ein Spiegel, eine Haarbürste und ein einzelner weißer Handschuh.
    Megan dachte, wie bizarr es wäre, wenn die Frau vor ihr Cait O Flynn wäre; wenn diese absonderliche Alte ihre Mutter wäre, die fortging, um glücklich zu werden oder weniger unglücklich, und hier gelandet war, auf dieser Insel mit all den Sonderlingen, eine vorzeitig gealterte, verzweifelt zurechtgemachte, um Haltung bemühte Frau, eine Verliererin, die sich von einem kleinen Jungen wie eine Königin behandeln ließ und deren Hofstaat zwei Affen waren. Traurigkeit erfasste sie, ein unerwarteter Windstoß, und sie schwankte leicht und hörte auf zu lächeln.
    Ruben hatte sich inzwischen auf den Stuhl gesetzt und schnitt mit dem Messer eine Karotte in Stücke, die er in die Schüssel auf seinen Knien fallen ließ. Chester beobachtete jede seiner Bewegungen, während Wesley noch immer Megan fixierte.
    »Megan ist den weiten Weg von Irland gekommen, um mit uns zu arbeiten«, sagte Carla, und sie klang, als redete sie mit einem Kind.
    »Fleißige Menschen, die Iren«, sagte Nancy, eine Rauchwolke ausstoßend. »Aber auch stolz und rebellisch. Sind Sie rebellisch?«
    Megan warf einen raschen Blick auf Carla, die noch immer ihr maskenhaftes Lächeln aufgesetzt hatte, und wandte sich dann wieder Nancy zu. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Manchmal.«
    Nancy zog an der Zigarette und inhalierte den Rauch, indem sie konzentriertund mit gespitzten Lippen durch den Mund einatmete. »Ich finde, Sean Connery war der beste James Bond aller Zeiten. Was meinen Sie?«
    Einen Augenblick lang überlegte Megan, ob die Information, dass sie noch nie einen James-Bond-Film gesehen hatte und Sean Connery nicht Ire, sondern Schotte war, dem Gespräch einen Sinn verleihen würde. Dann lächelte sie und sagte: »Ich mag ihn auch sehr.«
    »Damals wurde in den Filmen noch geraucht«, sagte Nancy. »In den amerikanischen, meine ich. Rauchen Sie?«
    »Nicht mehr.«
    Nancy, von Qualm eingehüllt, nickte nachdenklich und betastete mit der freien Hand ihren Haarturm, um dessen Stabilität sie sich berechtigte Sorgen zu machen schien.
    »Megan ist sogar Vegetarierin«, sagte Carla und ignorierte Megans kurzen Seitenblick.
    »Ach herrjeh«, seufzte Nancy. »Sagen Sie bloß, Sie sind so eine Gesundheitsfanatikerin. So eine Kostverächterin.« Sie legte die fast bis zum lippenstiftverschmierten Filter aufgerauchte Zigarette in den Aschenbecher auf dem runden Beistelltisch neben ihr.
    »Bin ich nicht«, sagte Megan.
    »Na ja, ist ja Ihre Sache.« Nancy bewegte die Hand mit den gelben Fingern, eine Art Winken. »Sie kriegen den Job

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