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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Katze oder Ratte, rannte davon und verschwand in der Dunkelheit, als Megan näher kam. Das Licht gewann und verlor an Kraft im Rhythmus des Generators, dessen schwankender Lärmpegel Megan an den Motor des Boots erinnerte, das sie auf die Insel gebracht hatte. Als sie bei der Tür war und die Hand auf den Knauf legte, hörte sie Stimmen. Sie legte ein Ohr ans warme Holz und lauschte.
    » … sowieso von hier weg. Je eher, desto besser.« Das war Carla. Sie klang betrunken.
    Malpass murmelte etwas, dann rief er: »Kannst du mir das vielleicht verraten?«
    »Ich werde schon einen Weg finden. Ich habe nicht vor, hier zu bleiben, bis ich verrotte.«
    Wieder brummte Malpass unverständlich vor sich hin.
    »Die Kleine, diese Irin, die kann mich ersetzen.«
    Malpass lachte, dann hustete er. Eine Flasche fiel um. »Merde!«
    »Du bist ein Trottel.«
    »Ach ja? Und du leidest mal wieder an Realitätsverlust! Ersetzen!« Malpass lachte noch lauter.
    Carla ließ einen lauten Redeschwall auf Spanisch los, von dem Megan nur die Flüche und die Malpass zugedachten Beleidigungen zu verstehen glaubte. Dann herrschte Stille hinter der Tür. Megan wartete eine Weile, aber außer dem Generator, dem leisen Klirren von Glas und Malpass’ gelegentlichem Gemurmel war nichts mehr zu hören. Sie schlich zu einem der Fenster und sah in den Raum. Carla saß an einem Ende des langen Tisches, Malpass am andern. Er rauchte, sie trank. Megan fand, sie sähen aus wie ein zerstrittenes Ehepaar in einem Theaterstück. Raske war nicht da, Ester auch nicht. In der Tischmitte stand ein Topf, aus dem der Griff eines Schöpflöffels ragte. Die Deckenventilatoren drehten sich und verrührten den Zigarettenqualm mit dem schmutzigen Licht, das aus den Neonlampen fiel. Hinter dem Holzperlenvorhang war es dunkel.
    Megan überquerte den Platz und ging am Besucherzentrum vorbei in Richtung Labor. Schon von weitem sah sie Licht hinter den Fenstern. Eine Fledermaus wischte vor ihr durch den Himmel, und sie hob den Kopf und sah die schwarze Kuppel über sich und die maßlose Schönheit der Sterne darin, und für einen kurzen Moment fiel die Schwere von ihr ab und sie lächelte. Sie berührte den Ring und atmete die Luft ein, die warm war und erfüllt von Insektengezirpe und Salz. Unter einem Baum setzte sie sich auf die Erde und legte den Kopf zwischen die Beine, die sie mit beiden Armen umschlang. Sie wollte nicht weinen, redete sich ein, keinen Grund dafür zu haben. Sie summte mit einer anderen Stimme.
    Sie saßen auf der Veranda. Der Kalender sagte, es sei Sommer. Regen fiel, aber es war nicht kalt. Sie schaukelten vor und zurück. Das Kleid der Mutter war eine Wiese voller Blumen. Sie fuhren auf einem Schiff, nur sie beide, den Schreihals hatten sie zu Hause gelassen. Das Gesicht der Mutter schwebte leuchtend über dem Meer. Ihre Stimme war ein Delfin. Kleine Megan, große Welt, tausend offene Fragen. Was die Welt zusammenhält, lässt sich kaum noch sagen. Kleine Megan, große Welt, tausendundein Stern. Es ist nicht Gold und ist nicht Geld, was die Weltzusammenhält. Es ist der Satz: Ich hab dich gern. Sie schaukelten vor und zurück. Das Gesicht der Mutter war die Sonne. Der Wind blies, aber Megan fror nicht.
    Sie öffnete die Augen. Ein Bonobo hockte vor ihr am Boden und sah sie an. Er hatte den Arm ausgestreckt, sein Zeigefinger berührte ihren Fuß. Sie erschrak nicht. Der Bonobo trug eine blaue knielange Hose, ein blaues Hemd mit kurzen Armen und eine blaue Mütze mit schwarzem Schirm. Er gab einen Ton von sich, einen leisen, nach oben ansteigenden Laut wie eine Frage, und bewegte die Hände.
    »Er fragt, ob es Ihnen gutgeht.«
    Megan hob den Kopf und sah einen Mann, der ein paar Meter von ihr entfernt stand. In seinem bis zum Boden reichenden weißen, am Saum und über der Brust bestickten Kleid und mit seiner dunklen Haut und dem um eine Glatze herum gestutzten grauen Haar sah er aus wie Manprasad, ein indischer Stammgast in Lillys und Nandors Golden Dragon in London.
    »Sie müssen keine Angst vor ihm haben«, sagte der Mann.
    »Hab ich nicht.« Megan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und umfasste den Finger des Bonobos, der wieder auf dem Spann ihres linken Fußes ruhte. Sie sah dem Tier in die Augen und sagte: »Es geht mir gut.«
    Der Bonobo presste die Lippen zusammen, als zweifelte er an ihren Worten, und stieß einen kurzen, tiefen Laut aus. Seine Augen waren groß und schwarz, Megan glaubte sich darin sehen zu können.
    »Sein Name ist

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