Auf den Inseln des letzten Lichts
Haut, die hellbraun war und an manchen Stellen fast transparent, folgte den haarfeinen Rillen am Hals und den Zacken, die sich den Rücken hinabzogen.
Tanvir kam zurück und kletterte auf den Stuhl.
»Was heißt danke in Montgomerys Sprache?«
»Danke. Er versteht über zweihundert Wörter und einfache Sätze. Danke. Gut. Heiß. Kalt. Nach Hause gehen. Ball in den Korb werfen. Am besten sehen Sie ihn an, wenn Sie mit ihm sprechen.«
Megan blickte Montgomery ins Gesicht. »Danke.«
Montgomery schürzte die Lippen und blinzelte, dann hockte er sich hin und legte eine Hand auf Megans Knie. Er betrachtete den Ring an ihrem Finger und berührte ihn zaghaft.
»Der ist von meinem Bruder«, sagte Megan.
»Das wird Monty freuen. Er dachte, Sie seien verheiratet.«
Megan lachte.
»Er hat Sie gern.« Tanvir bog ein Stück Draht zurecht, hängte es unter die Abdeckung, zog sie ein Stück weit nach oben und wickelte das Drahtende um die Stange.
»Ich ihn auch. Wie sage ich ihm das?«
»Oh, keine Sorge, das weiß er.« Tanvir stieg vom Stuhl herunter und schaltete den Ventilator ein. »Sehen Sie, so hält es«, sagte er, nachdem sich die Rotorblätter ein paarmal mit höchster Geschwindigkeit im Kreis gedreht hatten und die Haube an ihrem Platz blieb.
»Danke«, sagte Megan. »Ich kann Ihnen leider nur Wasser anbieten.«
»Wir haben gerade etwas getrunken. Und wir wollen Sie auch nicht mehr länger stören, bestimmt sind Sie müde.« Tanvir trug den Stuhl zu dem kleinen Tisch, der neben einem der beiden Fenster an der Wand stand, und drehte den Ventilator auf die unterste Stufe. »Monty, los geht’s!«
Der Bonobo drehte den Kopf zu Tanvir.
»Worauf wartest du? Megan will ins Bett.«
Montgomery sah Megan zwei Atemzüge lang an, dann nahm er seine Hand von ihrem Knie, erhob sich und ging zu Tanvir.
»Ich wünschte, ich könnte mit ihm reden«, sagte Megan und erhob sich.
»Das können Sie.« Tanvir nahm Montgomerys Hand und trat ins Freie. »Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Megan ging zur Tür und sah den beiden nach. Als Montgomery sich nach ihr umdrehte, winkte sie.
Zwei Stunden später war Megan noch immer wach. Sie lag auf dem Rücken, die Arme und Beine ausgebreitet, und ließ die vom Ventilator gekühlte Luft über ihren Körper wehen. Bevor sie ins Bett gegangen war, hatte sie versucht, an ihrem Buch zu schreiben, es aber bald wieder aufgegeben. Sie hatte sich zehn Minuten lang mit Schattenboxen verausgabt, danach geduscht und sich erneut an den Tisch gesetzt, um das Seepferdchen zu zeichnen, doch selbst das wollte ihr nicht gelingen. Sie hatte meditiert und sich irgendwann hingelegt und so lange dem Kreisen des Ventilators zugesehen, bis sie einnickte, nur um Minuten später aufzuwachen, hellwach und dennoch wie erschlagen.
Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte halb zwei. Megan schlüpfte durchden Spalt im Moskitonetz, zog sich an und verließ den Raum. Eine Weile blieb sie vor dem Gebäude stehen und atmete die Nachtluft ein. Die meisten Solarlampen entlang der Wege waren defekt oder hatten ihre gespeicherte Energie verbraucht. Über denen, die noch leuchteten, tanzten Insekten. In einem der Bäume saß ein taubengroßer Vogel, den Megan erst bemerkte, als er davonflog.
Die Nachbarzimmer lagen in Dunkelheit und Stille. Unter dem Fenster des einen waren die gespannten Schnüre noch immer mit Wäschestücken behangen, vor der Tür des anderen standen ein Paar Stiefel und ein Karton voller Angelzeug. Megan wusste, dass Ester neben ihr wohnte, hatte sie jedoch bisher weder gesehen noch gehört. Die Stiefel und die Kiste gehörten Miguel, der früh ins Bett zu gehen und im Morgengrauen aufzustehen schien.
Sie ging noch einmal in ihr Zimmer, um die beiden Hefte unter die Matratze zu legen und die Taschenlampe einzustecken, dann schloss sie die Tür, folgte dem Weg nach rechts und überquerte den Platz. Den Mond suchte sie vergeblich, er war irgendwo hinter der dichten Wolkenschicht verborgen, die tief über der Insel stand und gerade so viel Helligkeit absonderte, dass Megan die Taschenlampe nicht brauchte. Sie überlegte, zum Strand zu gehen. Vielleicht war noch genug Glut von Esters Feuer vorhanden, um ein neues zu entfachen, dachte sie. Dann hatte sie plötzlich Hunger und Lust auf ein Bier und beschloss, sich in der Küchenbaracke umzusehen. Carla hatte ihr gezeigt, wo der Schlüssel lag und wie der Gasherd funktionierte. Sie hatte Megan auch gewarnt und ihr eingeschärft, alles aufgeräumt zu
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