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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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hatte.
    »Wollen Sie Eier? Tomaten? Geht schnell.«
    »Nein danke, nicht nötig.« Megan zeigte auf die drei Brotscheiben auf ihrem Teller.
    »Ich mache. Sie warten«, sagte Rosalinda und verschwand in der Küche. Das Klickern der Holzperlen, die sie mit ihrer Leibesfülle in Schwingung versetzt hatte, verlor sich rasch in den Geräuschen von fließendem Wasser, dem Klappern von Besteck und dem rhythmischen Klopfen einer Messerklinge auf einem Holzbrett.
    Megan hörte auf zu essen und wartete, wie Rosalinda es ihr befohlen hatte. Das Spiegelbild von einem der Deckenventilatoren drehte sich auf der Oberfläche des Kaffees in ihrer Tasse. Draußen flog ein kleiner farbloser Vogel vorbei, eine Wellenlinie in den lichterfüllten Hintergrund zeichnend. An der Stelle, wo die Köchin mit den Fischen gestanden hatte, glänzten ein paar Tropfen Blut auf dem Linoleum. Ganz unten im Honigglas, wie in Bernstein eingeschlossen, lag eine Ameise.
    Ester kam herein und setzte sich Megan gegenüber hin. »Hi.« Ihre Augen waren vom Schlaf noch verquollen, die Haare ungekämmt. Sie steckte in der grauen Jogginghose, die sie schon am Abend zuvor getragen hatte, und dem blauen IPREC-Shirt.
    »Hi.«
    »Heiß heute, was?«
    »Ja.«
    Ester stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. »Kannst du schlafen?«
    »Nicht so gut.«
    Rosalinda kam aus der Küche und brachte Megan einen Teller mit Rührei und gedünsteten Tomatenscheiben, dazu eine halbe Avocado. Sie fragte Ester, ob sie dasselbe wolle wie immer. Ester nickte, aber als Rosalinda wegging, rief sie ihr nach, sie habe doch keinen Hunger, ein Kaffee und eine Scheibe Toast würden reichen.
    Megan verbrannte sich an den Tomaten die Zunge und trank einen Schluck Kaffee, der inzwischen so gut wie kalt war.
    »Woher in Irland kommst du?«
    »Südwesten.«
    Ester stülpte die Unterlippe vor und blies sich Luft über das Gesicht. Megan hätte gerne gewusst, was genau ihre Augenfarbe war, aber sie wollte Ester nicht anstarren. Grün, dachte sie, mit gelben Splittern darin, vielleicht goldenen.
    »Vermisst du es?«
    »Manchmal.«
    Ester ließ die Arme hängen und den Oberkörper gegen die Rückenlehne fallen. »Ich vermisse meine Eltern. Ich vermisse Palanga, das kalte Meer.« Ein langer Atemstoß entwich ihr. »Und meine Sprache vermisse ich.«
    »Sag etwas auf Litauisch.«
    Ester lachte. »Nein.«
    »Komm schon. Nur einen Satz.«
    Mit geschlossenen Augen sagte Ester etwas, das schön und fremd und traurig klang, dann sah sie Megan verlegen lächelnd an.
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Fast drei Jahre.«
    »Drei Jahre als Praktikantin?«
    Ester senkte den Blick, fuhr mit dem Fingernagel eine Rille im Tischblatt entlang. »Es gibt sowieso nichts mehr zu tun.«
    Rosalinda brachte Esters Kaffee und Toast. Auf ihrem Unterarm glitzerte ein silbernes Plättchen, die Schuppe eines Fisches. Sie füllte Megans Tasse und ging zurück in die Küche.
    »Warum bleibt ihr?«
    »Wir werden bezahlt«, sagte Ester. Sie nahm ein Stück Toastbrot in die Hand, betrachtete es und legte es zurück. »Zu Hause gibt es keine Arbeit.«
    Megan aß den Teller leer und schob ihn weg. »Wie bist du an den Job gekommen?«
    »Das ist kompliziert.« Ester goss Milch in ihren Kaffee und rührte um. Dann sah sie in die Tasse, wo die schwarze und die weiße Flüssigkeit zu einer braunen wurden, und machte ein Gesicht, als habe sie auch darauf keine Lust mehr. »Ich habe Biologie studiert. In Vilnius. Im letzten Semester hatte ich was mit einem der Professoren. Er hat mich zu einem Kongress mitgenommen, nach Madrid.« Sie fing an, das Weiche aus einer Brotscheibe zu puhlen. »Am zweiten Tag hatten wir einen Riesenstreit, und ich lief weg. Als ich am Abend ins Hotel kam, war er abgereist. Ich saß heulend in der Lobby, ohne Geld. Und da tauchte Torben auf.«
    »Er war auch auf dem Kongress?«
    Ester nickte. Sie legte das, was von der Brotscheibe übrig war, auf denTeller. »Er bot mir eine Stelle an. Von jetzt auf gleich. Ich konnte nicht mal nach Hause, um mich von meiner Familie zu verabschieden. Ich habe meine Eltern angerufen und ihnen gesagt, ich hätte einen tollen Job im Ausland. Am nächsten Tag sind wir nach London geflogen. Torben hatte in England zu tun. Zwei Wochen später war ich hier.«
    »Dann hast du dein Studium nicht beendet?«
    Ester schüttelte den Kopf. Sie spielte mit den Brotstücken, formte sie zu Kugeln, schob sie hin und her, reihte sie auf. »Hier verdiene ich Geld. In

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