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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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kannst du hier ja nichts.«
    »Geht alles auf ein Konto. In zwei, drei Jahren kaufe ich mir davon ein Haus in Boca. Das ist ein Stadtteil von Buenos Aires. Bin da aufgewachsen.«
    »Was genau ist dein Job hier?«
    Carla lachte. »Ich esse und trinke. Ich schlafe. Und ich schreibe Berichte über Studien, die ich nie durchgeführt habe.«
    »Für wen?«
    »Den Stiftungsrat. Lauter Gutmenschen. Halten sich für ungeheuer wichtig. Die entscheiden jedes Jahr, ob IPREC Geld bekommt.«
    Megan sah aufs Meer hinaus. »Da fährt ein Schiff«, sagte sie und zeigte auf ein paar Lichter, die sich auf der dunklen Fläche bewegten.
    »Das ist Thor«, sagte Carla, ohne den Blick vom Feuer zu nehmen. »Er ist spät dran heute.«
     
    Im Zimmer brannte die Nachttischlampe. Vor der offenen Tür hing eine Laterne, um die Falter schwirrten und Motten und Mücken mit langen Beinen und durchsichtigen Flügeln. Megan stand auf einem Stuhl, schob die Metallhaube, unter der die Drähte verborgen waren, nach oben, kletterte vom Stuhl und drehte den Schalter. Nach ein paar Umdrehungen rutschte die Haube an der Stange nach unten und das schabende Geräusch ertönte. Megan holte Toilettenpapier, schaltete den Ventilator aus, stieg erneut auf den Stuhl und stopfte das Papier in die Abdeckung.
    »Sie müssen Draht nehmen.«
    Megan zuckte zusammen und verlor, als sie sich umdrehte, beinahe den Halt.
    Tanvir streckte wie abwehrend die Hände aus. »Tut mir leid, ich habe Sie erschreckt, nicht?« Er trug eine weite weiße Hose und ein blau und weiß kariertes Hemd, das über seinem Bauch spannte.
    »Na ja, ein bisschen.« Megan sprang vom Stuhl und wischte sich die Hände an der Hose ab.
    Montgomery stand hinter Tanvir im Dunkeln. Die blaue Uniform und die Mütze ließen ihn aussehen wie einen Chauffeur.
    »Ich habe Licht gesehen und dachte, ich schaue kurz vorbei.«
    »Hallo«, sagte Megan. »Hallo, Montgomery.«
    Der Bonobo nahm die Mütze ab, zeigte auf den Ventilator und den Stuhl und machte ein paar rasche Handzeichen.
    »Er sagt, Sie sollen vorsichtig sein.«
    Megan sah Montgomery an. »Danke, ich werde aufpassen.« Dann wandte sie sich an Tanvir. »Kommen Sie doch rein. Beide.«
    Tanvir betrat den Raum, aber Montgomery blieb draußen. »Er mag Ventilatoren nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie drehen sich zu schnell. Alles, was sich schnell bewegt, ist ihm nicht geheuer.«
    »Mir eigentlich auch nicht«, sagte Megan. Sie schaltete den Ventilator ein und die Rotorblätter begannen sich zu drehen. Als die maximale Geschwindigkeit erreicht war, vibrierte die Stange so heftig, dass die Haube Stück für Stück abrutschte, bis sie auf dem Motorblock lag und das Schleifgeräusch verursachte.
    »Billiger Schrott aus China. Montgomery hat recht, dem Ding nicht zu trauen.« Tanvir sah sich im Zimmer um. »Haben Sie Draht? Oder Schnur?«
    Megan drehte den Schalter auf Aus. »Ich glaube nicht.«
    »Warten Sie.« Tanvir ging hinaus und verschwand in der Dunkelheit.
    Montgomery stand noch immer vor der Tür, die Mütze in beiden Händen vor dem Bauch.
    »Willst du etwas trinken? Ich habe aber nur Wasser.« Megan nahm die Wasserflasche vom Nachttisch. »Trinken?«
    Montgomery schüttelte den Kopf und bewegte die Hände, was Megan als ein Nein und vielleicht ein Danke auslegte.
    »Komm doch rein. Sieh mal, der Ventilator dreht sich nicht.«
    Montgomery folgte mit den Augen Megans zur Decke gestrecktem Arm und betrat schließlich den Raum, blieb aber neben der Tür stehen.
    »Ich mag auch viele Dinge nicht, die sich schnell bewegen. Autos, zum Beispiel. Oder eilige Leute.« Megan setzte sich aufs Bett. »Bilder in Werbespots. Blaulicht.«
    Montgomery sah Megan an. Er hatte sich, seit er ins Zimmer gekommen war, nicht bewegt.
    »Du verstehst gar nicht, was ich sage, nicht wahr?«
    Der Bonobo fasste mit einer Hand in die Hosentasche und zog etwas daraus hervor. Dann ging er zu Megan und öffnete die Hand, in der ein Seepferdchen lag.
    »Ist das für mich?« Megan zeigte auf sich.
    Montgomery nickte.
    Megan nahm das Seepferdchen vorsichtig an sich und betrachtete es. Der Kopf des gewichtslosen, daumenlangen Tieres war nach vorne gebeugt, wie im Schlaf oder einer andächtigen Pose. Der spitz zulaufende Schwanz rollte sich vor dem Bauch ein, eine perfekte Spirale, kleiner als eine Lakritzrolle. Am Ende der langen Nase wölbten sich winzige Nüstern, und aus der Seite wuchs eine Flosse wie der Stummel eines Flügels. Megan fuhr mit der Fingerspitze über die trockene

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