Auf den Inseln des letzten Lichts
sich hin, der Boden war sandig und weich.
»Außerdem ist sie eine gute Tierärztin. Wesleys Fuß hat sich unter dem Gips entzündet, und sie hat es bemerkt. Willst du von Tanvir behandelt werden oder von ihr, wenn du krank wirst?«
»Von einer Tierärztin?«
»Uns trennen drei Gene vom Affen.«
Die beiden Männer schienen eine Zeitlang über diese Tatsache zu sinnieren. Eine Flasche wurde auf den Tisch gestellt.
»Tanvir, dieser elende Stümper«, murmelte Malpass.
»Ich will jetzt nicht über ihn reden. Eigentlich will ich ins Bett. War ein langer Tag.« Stuhlbeine rutschten über Dielen.
Megan sprang hoch und ging so schnell und so leise wie möglich ans Ende der Baracke.
Wenig später wurde die Tür geöffnet.
»Bis morgen.«
»Ja.«
Raske ging weg. Megan sah seinen Rücken, das helle Hemd, das ins Dunkel tauchte. Malpass hustete und spuckte aus, dann zog er die Tür zu.
Zwei Flaschen Bier schwammen noch im Wasser des mittlerweile geschmolzenen Eises in der Kühlbox. Auf dem Strand, der nur am oberen Saum von Schwemmholz und Tangfetzen bedeckt und vom kraftlosen Mondlicht beschienen war, wirkte die weiße Kunststoffkiste mit dem roten Deckel wie ein Fremdkörper, als wäre sie angespült oder von einem Flugzeug abgeworfen worden. Die Glut des erloschenen Feuers lag unter einer Sandschicht, ein paar verkohlte Äste ragten daraus hervor. Die Decke war weg, ebenso die leeren Flaschen.
Megan öffnete eine Flasche an der Kante der Kühlbox und trank sie in einem Zug bis auf einen kleinen Rest leer. Sie setzte sich in den Sand, umschlang die angewinkelten Beine mit den Armen und sah aufs Meer. Wenn sie den Kopf nach links drehte und wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie die dünne, krumme und an einigen Stellen unterbrochene Linie des Holzstegs und, ein Stück weitdraußen, den metallgrauen Schiffsrumpf. Sie trank den letzten Schluck San Miguel und öffnete die zweite Flasche. Sie dachte an das eben Gehörte, versuchte einzelne Sätze zu deuten, aber es gelang ihr nicht.
Als sie sich erhob und ein paar Schritte zum Wasser ging, dorthin, wo zwei Felsen aufragten, graue, glattgeschliffene Buckel, sah sie den im Sand liegenden Körper. Zuerst erschrak sie so heftig, dass ihr beinahe die Flasche aus der Hand fiel, aber dann bemerkte sie das dunkle Rechteck der ausgebreiteten Decke, die Seiten des aufgeschlagenen Buches, Carlas friedliche Atembewegungen unter dem dünnen karierten Tuch. Sie ging so nahe an die Schlafende heran, dass sie ihr Gesicht sehen konnte, die leicht geöffneten Lippen, den kleinen goldenen Ohrring, die schlaffe Hand, deren Innenfläche viel heller war als der Unterarm. Einen halben Meter entfernt setzte sie sich hin, trank das Bier und betrachtete die Frau, insgeheim hoffend, sie würde aufwachen und mit ihr reden. Manchmal bewegten sich Carlas Finger, oder sie drehte sich auf die Seite, im Traum leise flüsternd.
Als die Bierflasche leer war, stand Megan auf und ging weg.
3
Megan erwachte, weil sie glaubte, es habe geklopft. Sie sah auf die Uhr, die halb elf zeigte, schlug das Moskitonetz zurück und kletterte aus dem Bett, aber als sie halbwegs angekleidet die Tür öffnete, war niemand da. Sie redete sich ein, geträumt zu haben, zog die Hose und das T-Shirt wieder aus und ging duschen. Danach stellte sie sich unter den laufenden Ventilator und ließ sich trocknen.
Eine Viertelstunde später betrat sie den leeren Speisesaal. Auch in der Küche war niemand, und weil sie Hunger hatte, suchte sie Brot und Butter und ein Glas Honig zusammen, goss sich eine Tasse Kaffee ein, der in einer Thermoskanne neben dem Herd stand, und setzte sich an den Tisch. Kaum hatte sie ein Brot geschmiert, kam Rosalinda herein. Die Köchin trug einen bunten Rock und eine gelbe Bluse und hielt in jeder Hand eine Seilschlinge, an der mehrere Fische hingen.
»Guten Morgen«, sagte Megan, seltsam froh, eine Menschenseele zu sehen.
»Guten Morgen.« Rosalinda konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob sie Megans Lächeln erwidern solle, und zog den Mund mit den vollen, tiefroten Lippen ein wenig in die Breite. »Sie haben Essen gefunden.« Sie atmete schwer, als sei sie gerannt, um die Fische vor der Hitze zu schützen oder vor den Fliegen, von denen einige trotzdem auf den silbergrauen, von gelben Linien durchzogenen Leibern krabbelten.
»Ja«, sagte Megan, obwohl sie nicht sicher war, ob die Frau eine Frage gestellt oder eine Feststellung gemacht
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