Auf den Inseln des letzten Lichts
Wasserkanister, Konservendosen und Plastikkisten mit Reis, Mehl, Zucker und Salz gelagert, im anderenReinigungsmittel, Werkzeug und ein halbes Dutzend Feuerlöscher, von denen nicht einer aussah, als würde er funktionieren. In der Vorratskammer stand ein mannshoher Stahlschrank, der verschlossen und noch nicht von Rostflecken befallen war. Obwohl sie wusste, dass sie nichts finden würde, suchte Megan nach dem Schlüssel, hob Konservendosen hoch und tastete mit den Fingern in die Lücken zwischen den Kanistern und über die Deckel der Kisten auf den oberen Regalen. Bevor sie ging, schluckte sie eine Schmerztablette und spülte sie mit einem Becher Wasser hinunter.
Auf Deck machte sie die Taschenlampe aus und füllte ihre Lungen mit frischer Luft. Noch immer standen riesige Wolken am Horizont, deren Bäuche schon vom ersten schwachen Tageslicht eingefärbt wurden. Der Wind kam in Böen, weit draußen wurde das Meer unruhig. Mond und Sterne waren nicht mehr zu sehen. Eine Möwe flog über Megan hinweg, und ihr hoher, langgezogener Schrei erinnerte sie an die Ratte.
Die beiden Lichter sahen aus wie die Augen eines Tieres, das den Wald verließ und auf dem Plankenweg den Strand durchquerte. Als die wippenden Punkte näher kamen, erkannte Megan Raske und Malpass, die eine Kiste trugen, und duckte sich hinter die Reling. Durch das Ankerkettenloch sah sie, wie Malpass stolperte und hinfiel. Sie hörte das Aufschlagen der Kiste auf den Brettern, Raskes Fluchen und die jammernde Stimme von Malpass. Jetzt wäre noch Zeit gewesen, zum Heck zu gehen, dachte sie, sich an dem Tau ins Wasser hinabzuhangeln und davonzuschwimmen. Aber dann ging sie zurück in den muffigen Bauch des Schiffes, kroch in der Vorratskammer hinter die Wand aus Holz- und Metallkisten und wartete.
Keine halbe Stunde später fuhr das Schiff. Der Motor dröhnte und ließ die dünnen Stahlwände erzittern und jeden Gegenstand vibrieren. Megan öffnete leicht den Mund, damit ihre Zähne aufhörten zu summen. Im Heck heulte und würgte die Schraube wie ein verwundetes Seeungeheuer, im Bug hallte jede durchbrochene Welle wie ein Kanonenschlag und ließ die Bolzen und Nieten knacken.
Raske und Malpass hatten die Kiste auf dem Deck abgestellt und den Motor angelassen. Es hatte ewig gedauert, bis das Monstrum angesprungenund das Husten und Spucken zu einem ohrenbetäubenden, immer wieder von kurzen Aussetzern unterbrochenen Lärm geworden war. Zwischen den vergeblichen Versuchen hatte Raske, der sich offenbar im Maschinenraum befand, dem im Führerhaus stehenden Malpass Anweisungen zugebrüllt.
Irgendwann wurde das Getöse schwächer und für eine kurze Zeit das Stampfen der einzelnen Zylinder hörbar, dann schien der Motor abzusaufen. Wenig später rasselte die Ankerkette durch die Öffnung in der Reling, was in Megans Kammer klang, als schlügen tausend Hämmer gegen die Stahlwand. Raske und Malpass unterhielten sich lautstark, aber obwohl Megan unter der Öffnung des Luftschachts kauerte, konnte sie bis auf einzelne Wörter nichts verstehen. Sie wollte sich schon aufrichten, um das Blut in den Beinen zirkulieren zu lassen, als sie Schritte auf der Treppe hörte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und das Deckenlicht eingeschaltet. Megan erstarrte und hielt den Atem an. Sie hörte, wie der Schrank geöffnet und etwas daraus entnommen wurde, und ihr Herz setzte für einen Moment aus, als sie daran dachte, dass Raske oder Malpass die Tür zur Kammer zusperren könnte. Dann entfernten sich die Schritte, hallten auf den Treppenstufen und schließlich auf dem Deck. Megan streckte sich, bewegte die Beine und hielt das Ohr an die Gitterabdeckung des Lüftungsschachts, doch jetzt schwiegen die beiden Männer.
Ein paar Minuten später schwoll das Knattern eines Bootsmotors an, und Megan hörte, wie die Holzsprossen der Strickleiter gegen die Schiffswand schlugen und die Kiste über den Deckboden geschleift wurde. Die letzten Geräusche, die sie vernahm, waren Raskes Stimme und der leiser werdende Motorenlärm. Als sie sicher war, alleine an Bord zu sein, verließ sie ihr Versteck und ging nach oben. Hinter die Reling geduckt sah sie das Boot, das an Land gezogen worden war, und drei Männer, von denen zwei die Kiste schleppten. Der dritte, der nur Raske sein konnte, ging voran und leuchtete mit einer Taschenlampe auf den in den Sand getretenen Pfad, der weiter vorne zwischen den Stämmen eines Wäldchens verschwand.
In der Vorratskammer suchte Megan nach einem
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