Auf den Inseln des letzten Lichts
sonnte sich eine schwarze Schlange auf dem Weg, und er blieb stehen. Er hob einen Stein auf und warf ihn nach dem Tier. Fliegen umschwirrten ihn. Nach einer Weile erkannte er, dass es keine Schlange war, sondern ein Stück Fahrradschlauch. Der Weg wurde plötzlich breiter, dann tauchte hinter einer Senke eine verfilzte Rasenfläche auf, die Ränder eingefasst von weißgestrichenen Steinen. In runden, mit Muschelschalen gefüllten Beetenwuchsen Büsche, um die sich lange niemand mehr gekümmert hatte. Im verdorrten Gras war der Verlauf des ehemaligen Weges erkennbar.
Dann sah er die Villa. Das zweistöckige Holzhaus, hellblau und weiß gestrichen, stand auf der Andeutung eines Hügels und teilte sich den Platz mit zwei Bäumen, deren Äste Schatten über das Dach warfen. Um das Erdgeschoss verlief eine Veranda, zu der man vom Innern durch doppelflügelige, bis zum Boden verglaste Türen Zutritt hatte. Eine solche Doppeltür befand sich auf jeder Seite, beim Eingang öffnete sie sich zu einer von der Veranda zum Vorplatz führende Treppe hin. Ein Weg, breit genug für zwei Autos und mittlerweile völlig überwuchert, musste einmal die Zufahrt gewesen sein. Von Steinen nur noch lückenhaft eingefasst, führte der Weg um ein mit Sträuchern und einem vertrockneten Zierbaum bepflanztes Rondell und verlor sich zwischen kniehohem Gras und kargen Büschen.
Tobey wollte sich gerade dem Haus nähern, als jemand auf die Veranda trat. Er duckte sich hinter einen Busch und sah Miguel, der ein Laken oder eine Tischdecke ausschüttelte und dann zurück ins Halbdunkel des Raumes ging, aus dem er gekommen war. Tobey richtete sich auf und ging zum Weg, der in einem weiten Bogen am Haus vorbei in ein Wäldchen aus armdicken Bäumen führte, die er für Bambus hielt. Er durchquerte ein ausgetrocknetes Bachbett und schlug sich durch Gestrüpp und schilfartiges Dickicht, bis er nach einem leichten Anstieg schwitzend auf einer Kuppe stand und das Meer vor sich sah. Ein Windhauch strich über ihn und ließ das trockene Gras rascheln, dann war es wieder heiß und still. Auf den Wellenkämmen blitzte Sonnenlicht, der Geruch von Tang hing in der Luft. Ein paar Seevögel trieben weit draußen dahin, am Horizont standen saubere weiße Wolken. Tobey überlegte, wie ratsam es sei, zurückzugehen und etwas zu trinken, aber dann lief er die zweihundert Meter zum Strand hinunter, zog sich bis auf die Unterhose aus, nahm das Messer ab und legte es auf das Kleiderbündel. Erst als er ins Wasser tauchte, fielen ihm die Artikel ein, die er gelesen hatte und in denen vor Seeigeln, Schlangen, Quallen und im Sand verborgenen Fischen mit giftigen Stacheln gewarnt wurde. Er bemerkte einen Schatten am hellen Grund, keine fünf Meter vor sich, schwamm ans Ufer und setzte sich in die Ausläufer der sanften Brandung. Der dunkle Fleck entpuppte sich alsPalmwedel, der schwarz und halb verrottet in der Strömung dümpelte. Tobey kniff die Augen zusammen und sah winzige Fische, deren Körper silbrig glitzerten, wenn sie die Richtung änderten. Am Fuß eines Felsens bewegten sich Krebse, Insekten schwirrten über einer Mulde, in der sich Meerwasser gesammelt hatte.
Tobey folgte dem Strand einige hundert Meter, kehrte dann aber um, weil es bis zur nächsten Biegung zu weit war. Die Sonne brannte, er trug das Kleiderbündel auf dem Kopf und die an den Schnürsenkeln zusammengebundenen Schuhe in der Hand. Wo es zum Pfad ging, den er gekommen war, zögerte er. Im Schatten einer Baumgruppe zog er sich an und entschied sich dann, ein Stück weit zwischen Meer und Böschung zu gehen und nach dem Pfad zu suchen, der von der Schlafbaracke zum Strand führte. Er erinnerte sich an glatte, mannshohe Felsen und war zuversichtlich, sie zu finden. Während des Gehens hielt er nach Booten Ausschau, die in der Nähe der Insel fuhren, sah jedoch nur ein Schiff, einen Frachter oder Tanker, der als dunkler Balken zwischen Himmel und Wasser schwebte.
Er musste an den Film »Papillon« denken, in dem der Gefangene, den Steve McQueen spielte, Kokosnüsse zusammenband, um darauf von der Insel zu fliehen. Die Reifen unter dem Gebäude fielen ihm ein, die, mit ein paar Brettern oder Bambusstangen verbunden, ein passables Floß ergeben würden. Seile zu finden, sollte nicht schwierig sein, dachte er, und falls doch, konnte er aus den Jutesäcken welche drehen.
Als er die Schneise bemerkte, blieb er stehen. Die Böschung war etwa auf zwei Metern Breite frei von Schwemmgut, Strandgras
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