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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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und dürrem Gewächs, und weiter oben, wo die Grenze zwischen dem Strand und dem bewachsenen Kern der Insel verlief, tat sich eine Lücke zwischen den Büschen und mickrigen Bäumchen auf. An einer Stelle, den die Dünung nur selten zu erreichen schien, lag, zur Hälfte im Sand eingesunken, ein mit Seetang bedeckter Felsbrocken, um den ein Tau gewickelt war. Tobey folgte dem Pfad, betrat das Dämmerlicht eines Wäldchens, kam an eine Gabelung und wählte den Weg nach links, die Richtung, in der er die Baracken vermutete.
    Nach einer Weile war er am Strand. Er sah den Felsen, auf dem ergesessen hatte, den Baum, der am Ufer lag, knochenbleich und die Unterseite mit Muscheln besetzt nach einer langen Reise auf See. Er ging den Weg entlang, nahm die kaum wahrnehmbare Steigung und durchquerte den Streifen aus karger Vegetation, hinter dem sich die Ebene erstreckte, flaches mit Gras bewachsenes Land, in dem verkrüppelte Bäume wuchsen, die offenbar ohne Wasser und Blätter auskamen. Der Weg und alle paar Meter ein Stein bildeten die Trennlinie zwischen der Ebene und dem Platz, um den herum die Gebäude standen. Jemand schien regelmäßig die Grasbüschel auszureißen, die aus der flachgetretenen Erde wachsen wollten, ebenso die ersten Ranken der Büsche, knorrige Triebe, die tot aussahen im grellen Sonnenlicht. Weshalb diese Fläche gepflegt wurde, erschloss sich Tobey nicht. Fahrzeuge gab es auf der Insel keine, und dass man sich wegen des Erscheinungsbildes diese Mühe machte, bezweifelte er. Er blickte in den Himmel, stellte sich einen Hubschrauber vor, der zur Landung herabsank, hörte den Motorenlärm und schützte die Augen vor dem Staub, den die Rotoren aufwirbelten.
    »Tobey!«
    Tobey öffnete die Augen. Tanvir kam aus der Ecke, wo das Gebäude lag, in dem sich die Küche befand, und winkte. Tobey hob kurz die Hand. Er tat, als wische er sich die Hosenbeine ab, und kontrollierte den Sitz des Messers. Dann richtete er sich auf und ging dem Inder ein paar Schritte entgegen.
    »Wo waren Sie denn? Ich suche Sie überall!« Tanvir war ein wenig außer Atem. Ungeachtet der brennenden Sonne hatte er den Schirm zugeklappt und benutzte ihn als Stock.
    »Ich habe mir ein wenig die Beine vertreten«, sagte Tobey.
    »Bei der Hitze?« Wie zum Beweis, dass es heiß war, wischte Tanvir sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und spannte den Schirm auf. Eine Blüte aus filigranen Holzstangen und weißem Stoff öffnete sich, und über dem Boden schwebte ein runder Schatten, in dem Tanvirs Körper Platz fand.
    »Ich war schwimmen.«
    »Schwimmen«, wiederholte Tanvir. Aus seinem Mund hörte sich das Wort absurd an, wurde zur grotesken Beschäftigung naiver Menschen, die sinnlose Dinge tun.
    »Mir war heiß«, sagte Tobey.
    »Kommen Sie.« Tanvir stieß mit dem Schirm in den Himmel und marschierte los.
    »Ich habe Durst«, sagte Tobey, aber Tanvir ging weiter, ohne langsamer zu werden oder sich umzudrehen. Tobey überlegte, ihn ziehen zu lassen und in sein Zimmer zu gehen, doch dann folgte er dem alten Mann.
    Sie ließen die Gebäude hinter sich und überquerten eine Wiese, aus der abgestorbene Bäume ragten. Heuschrecken flogen vor ihnen auf, schwirrten wie aufziehbares Spielzeug durch die Luft und fielen zwischen die Halme. Der Pfad beschrieb eine Kurve, Palmen säumten ihn. Noch mehr Kokosnüsse für ein Floß, dachte Tobey. Er würde ein Netz knüpfen müssen, überlegte er, blieb mit dem Fuß an einer Wurzel hängen und stolperte. Er fluchte leise, dachte an den Getränkeautomaten, der manchmal zu vibrieren begann, als würde er vor Kälte zittern. Tanvir lief eilig voraus, ein schwarzgekleideter Mönch, der einen weißen Pilz schwenkte. In einer Vertiefung hatte sich Wasser gesammelt, Tierspuren durchzogen den Morast. Tanvir verschwand hinter einer Biegung, und als Tobey bei ihm angekommen war, sah er den Friedhof. Ein kurz geschnittenes, erstaunlich grünes Stück Wiese lag vor ihnen, vielleicht zwanzig Mal zwanzig Meter groß. Ein Kiesweg teilte die Fläche in zwei Hälften, in jeder Hälfte standen drei Grabsteine. Am Ende des Weges erhob sich ein mannshohes, weißgestrichenes Holzkreuz, um das eine Kette aus Stoffblumen hing und an dessen Fuß Unterteller und Marmeladengläser mit Kerzenresten standen. Ein Werkzeugschuppen, nur wenig größer als eine Telefonkabine, lehnte halb an einem Baum.
    Tanvir legte den Schirm auf den Boden und schlüpfte aus den Sandalen, bevor er den Kiesweg betrat. Er blieb vor

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