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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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hatte. Bei der Gelegenheit konnte er sich auch entschuldigen. Er dachte an das Messer hinter dem Boiler, ließ es dann aber dort und ging aus dem Zimmer.
    Miguel saß neben dem Sofa am Boden und schraubte am Stecker des Kühlschranks, den er ein Stück von der Wand weggezogen hatte. Die Kühlschranktür stand offen, drei Getränkedosen und ein Stück Wassermelone verloren sich darin.
    »Ist er kaputt?«, fragte Tobey, und der Satz hing in der Stille des Flurs wie die misslungene Pointe eines Witzes.
    »Ja«, sagte Miguel. Er klappte die zwei Hälften des Plastiksteckers auseinander und betrachtete lange den Inhalt. »Ist nicht das Problem, das.« Er zog das Kabel heraus, drehte es in den Fingern und schob es zurück ins Gehäuse.
    Tobey fühlte sich verpflichtet, noch einen Moment zu bleiben und zuzusehen. »Vielleicht das Aggregat?«
    Miguel schraubte die Steckerhälften wieder zusammen. »Vielleicht. Vielleicht Kabel. Vielleicht Leitung hier.« Er klopfte gegen die Wand.
    Tobey nickte. Er sah sich die Titelblätter der Magazine an, die auf dem Tisch lagen, Klatschblätter, einige davon so abgegriffen, dass die Titel kaum noch lesbar waren. »Also dann, viel Glück«, sagte er schließlich und ging zur Tür.
    »Tobey?«
    Tobey blieb stehen und drehte sich um. »Ja?«
    »Ich darf Tobey sagen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie sind Bruder von Megan, stimmt?«
    »Ja.«
    Miguel lächelte. »Megan sehr gute Person.«
    Tobey konnte nicht anders als auch zu lächeln. »Ja, das war sie.« Er drehte sich um, öffnete die Tür und trat in die Nacht hinaus, die erfüllt war von Wärme und Feuchtigkeit. Er ging zur Küchenbaracke und sah durch das Fenster. Rosalinda machte den Abwasch, Chester saß neben ihr am Boden und hielt mit einer Hand ihren Rocksaum fest. Das Radio spielte, Tobey hörte Trompeten, Saxophone und Posaunen. Auf dem Weg zum hinteren Eingang musste er Wasserlachen ausweichen, die sich in Senken gebildet hatten und in denen das Mondlicht lag wie matter Glanz auf Karosserieblech. Die Lampe über der Tür brannte nicht, und Tobey erschrak, als auf der obersten Treppenstufe ein Tier vor ihm aufsprang, ein Frosch oder eine Kröte. Er ging den Flur entlang zu Montgomerys Zimmer und klopfte an, wartete und klopfte erneut. Durch den Spalt zwischen Tür und Boden drang kein Licht, im Zimmer war es still. Er rief leise, aber Montgomery schien nicht da zu sein, zu schlafen oder ihn nicht sehen zu wollen. Nach kurzem Zögern drehte er den Türknauf, doch die Tür war verriegelt.
    Weil er keine Lust hatte, sich in seinem Zimmer auf das Bett zu legen und an die Decke zu starren, drehte er eine Runde um den Platz. Die Küchenfenster waren noch immer erhellt. Die Wolken hatten sich aufgelöst, dazwischen blinkten Sterne. Die Insekten lärmten, als versicherten sie sich gegenseitig, nicht ertrunken zu sein. Er hatte den Platz einmal umrundet, als er eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchen sah.
    »Tobey!« Tanvir kam aus der Richtung, in der die Krankenstation lag. Er winkte, mit der anderen Hand hielt er etwas fest.
    Tobey wartete. Fledermäuse segelten dicht über seinem Kopf.
    »Ich musste mir etwas Medizin holen!«, rief Tanvir von weitem und schwenkte eine Flasche. Als er vor Tobey stand, atmete er heftig und grinste. »Ich glaube, ich habe mir den Magen verdorben.«
    Sie gingen zusammen über den Platz. Tobey machte einen Bogen um jede Pfütze, Tanvir, der barfuß war und die Hosenbeine hochgekrempelthatte, marschierte durch sie hindurch. Er erzählte von einer riesigen Heuschrecke auf dem Treppengeländer der Krankenstation, und Tobey merkte, dass er schon getrunken hatte.
     
    Die Türen zur Veranda waren wieder offen, und es gab wieder eiskalten, süßen Schwarztee. Tanvir hatte sich entschuldigt und war im Badezimmer verschwunden, um sich die Füße zu waschen. Zuvor hatte er den alten, in der dunklen Kommode verwahrten Plattenspieler eingeschaltet, und Tobey war erstaunt gewesen, als er Van Morrisons Stimme hörte. Er betrachtete die Karte einer Insel, die gerahmt über der Kommode hing, und erst als er in geschwungener Schrift INSEL 2 las, begriff er, dass es die Karte der Insel war, auf der er sich befand. Jetzt sah er auch den Platz und die Baracken, und nach einer Weile entdeckte er die Villa. Das Gebäude mit den Käfigen suchte er vergeblich. Die Karte war in einem Stil gezeichnet, wie Tobey ihn aus alten Büchern kannte. Im Meer schwammen riesige Fische, ein Krake schlang seine Arme um ein Segelschiff, und auf

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