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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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mitteilte, sie fühle sich nicht wohl. Sie übergab Bridget der Haushälterin und bat mich, ihr den Puls zu fühlen, was ich auch tat, ohne allerdings irgendeine Auffälligkeit festzustellen. Muriel meinte, ihr sei heiß, und ehe ich mich versah, hatte sie die Arme um mich geschlungen und küsste mich auf den Mund. Es wird Sie vielleicht überraschen, Tobey, aber ich war auch einmal ein junger Mann, und auf die Gefahr hin, Sie könnten mich für eitel halten, muss ich doch erwähnen, dass ich damals durchaus über eine gewisse Attraktivität verfügte. Von der heute natürlich nicht mehr viel zu sehen ist. – Wie auch immer, Muriel hielt mich also umschlungen, und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Sie war eine sehr ansehnliche Erscheinung, keine umwerfende Schönheit, aber überaus zart und sinnlich. Ich muss gestehen, dass ich mich vor diesem verhängnisvollen Tag schon mehrmals gefragt hatte, wie sich wohl ihre Haut anfühlte, und jetzt, als sie sich an mich drängte, war ich nicht stark genug, sie wegzustoßen und der Sache ein Ende zu bereiten, bevor etwas geschah, das wir beide bereuenwürden. – Zu meiner Verteidigung darf ich vielleicht vorbringen, dass ich jung und in Liebesdingen noch recht unerfahren war. Womit ich nicht sagen will, ich sei ein unbeschriebenes Blatt gewesen, das nicht gerade, aber es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich sei zu jenem Zeitpunkt ein erfahrener Mann in Sachen Beischlaf gewesen. Nun fragen Sie sich vielleicht, wie das mit der Tatsache in Einklang zu bringen ist, dass ich ein recht gut aussehender Bursche war, das war ich nämlich tatsächlich, auch wenn Sie sich das vielleicht nicht vorstellen können.« Er wartete kurz, genehmigte sich einen Schluck. »Soll ich Ihnen die Frage beantworten?«
    »Ja, tun Sie das.«
    »Es war das Sprechen.«
    Tobey wartete, aber von Tanvir kam nichts mehr. Er setzte sich auf und nahm einen Schluck Eistee, der jetzt lauwarm war, was ihn noch süßer schmecken ließ. »Das Sprechen?«
    »Ich konnte mit Mädchen nicht sprechen. Ich verstummte in ihrer Gegenwart, war wie gelähmt. Und die Sprache ist nun einmal ein Instrument der Verständigung, der Annäherung, des Werbens.«
    »Sprechen hilft«, bestätigte Tobey. Er wurde müde, unterdrückte ein Gähnen. Vielleicht hätte er sich doch für die kurze Version von Tanvirs Geschichte entscheiden sollen.
    »Es ist der Schlüssel, Tobey. Worte öffnen Türen, Herzen. Ich stand, bildlich gesprochen, vor verschlossenen Türen. Und so war ich, als Muriel Bennett sich mir in erotischer Absicht näherte, einerseits von ihrer forschen Art äußerst verwirrt, andererseits durch die unmittelbare Nähe ihres Körpers auch in hohem Maße aufgewühlt und erregt. Die Details dieses Aufeinanderprallens zweier Haltloser will ich uns beiden ersparen und gleich zum tragischen Teil kommen, der mit der unerwarteten Heimkehr des Ehemannes eingeleitet wurde, einer Szene, die in ihrer Klischeehaftigkeit beinahe etwas Komisches hatte, in diesem Fall jedoch der Auftakt zu einer Folge fürchterlicher Ereignisse war. Frank Bennett war Ingenieur und leitete den Bau einer Fabrik, die nach der Fertigstellung für eine englische Firma Fertighäuser produzieren sollte. Aus verschiedenen Gründen hatte es Verzögerungen und Pannen beim Bau gegeben, und an diesem bewussten Nachmittag war Frank Bennett entlassen und durchjemanden ersetzt worden, der nach Meinung der Firmenspitze den Job besser machen würde. Wie die polizeiliche Untersuchung später ergab, hatte Frank Bennett sich nach seinem Rauswurf betrunken und war dann in die Firma zurückgegangen, wo er sein ehemaliges Büro verwüstete, bis er überwältigt werden konnte. Gedemütigt und verzweifelt fand Frank Bennett sich auf der Straße wieder, fuhr irgendwann nach Hause, um Trost bei seiner Frau zu suchen, die er nackt und keuchend in einen bengalischen Arzt verschlungen auf dem Sofa seines Wohnzimmers antraf, das müssen Sie sich mal vorstellen.« Tanvir trank einen Schluck Gin, gab Tobey Zeit, sich ein Bild der Szene zu machen. »An die darauffolgenden Geschehnisse kann ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern. Es gab ein riesiges Geschrei, Flüche und Tränen, und dann ist Frank Bennett, der fristlos Entlassene und schändlich Betrogene, aus dem Zimmer gestürmt, was Muriel und mir Zeit gab, uns anzuziehen. Wenig später kam die Haushälterin aus dem Kinderzimmer und wollte wissen, was der Grund für den Lärm sei, aber noch bevor Muriel sie

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