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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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der Insel wuchsen Palmen groß wie Wolkenkratzer. Der Hügel war eingezeichnet, ein mit grünen Büschen überzogenes Oval, aber ein Hinweis auf den Bunker fehlte. Links vom Hügel, unweit eines kleinen Waldes und am Ende einer weiten leeren Fläche, stand ein Turm, der so gezeichnet war, dass er dem Betrachter entgegenragte.
    Tobey setzte sich auf das Sofa, trank einen Schluck Tee und hörte der Musik zu. Er erinnerte sich an ein Konzert in Dublin, das erste, seit er die Farm verlassen hatte. Jason rauchte damals Dope und schluckte Pillen, statt sich Gift in die Venen zu spritzen, Mick studierte an einer Musikschule in Cork, und Barry stand lächelnd hinter einer Fleischtheke und hasste sein Leben. Tobey lehnte sich zurück, ein Gefühl von Verlust und törichter Sehnsucht durchströmte ihn. Er konnte jeden Song mitsingen, aber er saß nur da und hörte zu. Einzig eine kleine Lampe auf dem Tisch neben Tanvirs Sessel beleuchtete den Raum. Der Ventilator drehte sich zu langsam, der Tee war zu süß. Die offenen Stellen an den Handflächen brannten. Zu Tupelow Honey hatte er mit einem Mädchen getanzt, das von Konzertbeginn an neben ihm gestanden hatte. Nach den ersten Takten schmiegte es sich unvermittelt an ihn, wiegte sich im herrlich schleppenden Tempo der Musik, atmete warm gegen seine Brustund ließ ihn erst los, als die letzten Töne verklungen waren, die Leute klatschten und der Gitarrist schon den Eröffnungsakkord des nächsten Stücks anspielte. Tobey fühlte sich im Herzen der wogenden Masse wie ein erhitzter, glückseliger Trottel, wie der ahnungslose, hoffnungsvolle dumme Junge vom Land, der er war. Nach dem Konzert war das Mädchen verschwunden und die Nacht dämmerungsgrau und bierwarm auf einer Parkbank in den Tag gekippt, dekoriert mit Tauben und Pennern.
     
    Tanvir kam aus dem Badezimmer und nahm im Sessel Platz. Er goss Gin in sein Glas, prostete Tobey zu und trank einen Schluck. Dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen, wippte ab und zu mit den Füßen.
    Tobey legte sich hin. Zeit verging, in ihrem ohnehin trägen Lauf von der Musik gebremst. Jeder Ton schien ein Gewicht, das ihn sanft hinabzog in hellwache, träumende Dunkelheit.
    Als die Platte zu Ende war, erhob Tanvir sich und ging zur Kommode. »Die zweite Seite ist leider zerkratzt«, sagte er. Nachdem er die Türen der Kommode geschlossen hatte, setzte sich wieder in seinen Stuhl und legte die Beine hoch.
    »Wo haben Sie die Platte gekauft?«, fragte Tobey.
    »In New York.«
    »Wann?«
    »Das muss in den späten Siebzigern gewesen sein.«
    »Nach Amerika wollte ich schon immer mal.«
    »Das sollten Sie tun, unbedingt. Und zwar, solange Sie noch jung sind.« Tanvir trank das Glas in einem Zug leer und füllte es gleich wieder. »Wie alt sind Sie, Tobey? Mitte zwanzig?«
    Tobey nickte.
    Tanvir stöhnte laut auf. »Keine dreißig!«, rief er, legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke, als könnte er dort den Film seiner eigenen Jugend sehen. »Da hatte ich schon einiges hinter mir. Mit dreißig wurde ich zum zweiten Mal geschieden.« Er sah Tobey an. »Sind Sie verheiratet, Tobey?«
    »Nein.«
    »Dann sehen Sie zu, dass es so bleibt. Die Ehe ist kein taugliches Mittel, um Glück zu erlangen.« Er seufzte und nippte am Glas.
    »Warum sind Sie hier gelandet?«
    Tanvir stieß einen Lacher aus, der in einer Art langgezogenem Wimmern endete. »Wollen Sie die lange oder kurze Version hören?«
    Tobey setzte sich auf. »Haben Sie nur Gin da?«
    »Beantworten Sie eine Frage immer mit einer Gegenfrage?«
    »Ich habe seit einer Ewigkeit keinen Alkohol getrunken, aber heute hätte ich nichts gegen einen Schluck Whisky. Haben Sie welchen? Oder meinetwegen Wodka?«
    »Bedaure, nur Gin.«
    »Der Tag heute war nicht so besonders.«
    »Wem sagen Sie das.«
    »Dann eben Gin.«
    Tanvir sprang auf die Beine, nahm ein Glas aus einem Schrank, füllte es bis zum Rand mit Gin und gab es Tobey. »Warten Sie!« Er holte sein Glas und hielt es hoch. »Darauf, dass ich nicht mehr der einzige lasterhafte Mensch auf dieser Insel bin!« Er trank einen großen Schluck und sah dann Tobey an, der in sein Glas starrte. »Was ist?«
    »Ich sollte das nicht trinken.«
    »Warum nicht? Es ist guter englischer Gin.«
    »Trotzdem.«
    »Das ist Beefeater!«
    »Ich glaube Ihnen ja, dass es guter Gin ist.«
    »Warum trinken Sie ihn dann nicht?«
    »Ich mag Gin nicht, deshalb. Ich kann ihn nicht mal riechen.« Tobey stellte das Glas auf den Tisch und schob es von

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