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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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gegangen.«
    »Sie haben es erfasst. Allerdings auf Umwegen. Ich war fast dreißig und wollte fort aus England, aber ich musste vorher noch einmal zurück in die alte Heimat, nach Bangladesch. Mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, hatte sich damals um die Beerdigung meines Vaters gekümmert, und ich ging zu ihm und dankte ihm dafür. In unserem ehemaligen Haus wohnte jetzt die jüngste Schwester meines Vaters mit ihrer Familie. Ich blieb zwei Monate bei ihnen und flog dann über Mumbai nach New York.«
    »Amerika!«, rief Tobey.
    »Und es empfing mich mit Schikane und Erniedrigung, trotz meines britischen Passes, den mir das Empire nach der zweiten Verheiratung großzügig zugestanden hatte. Aber ich durfte bleiben, ein Stempel gab mir das Recht, mich für befristete Zeit im gesegneten Land aufzuhalten. Ein Cousin zweiten Grades lebte in Baltimore, den besuchte ich. Er verschaffte mir eine Stelle als Pfleger in einem Altenheim, einer ziemlich trostlosen Einrichtung in der Nachbarschaft von Lagerhallen und Teppichgroßhändlern. Ich könnte Ihnen einige unerquickliche Anekdoten aus dem Alltag dieser Verwahrungsanstalt erzählen, aber ich erspare es uns lieber. Mit einem der bedauernswerten Insassen freundete ich mich ein wenig an, er war fast achtzig und saß im Rollstuhl, aber geistig warer noch so rege wie ich heute, also einigermaßen bei Verstand. Als ich ihm sagte, ich sei Arzt, erzählte er mir seine ganze Lebensgeschichte. Keine Angst, die werde ich jetzt nicht wiedergeben, obwohl es sich um eine erstaunliche Biografie handelt, die es wert wäre, festgehalten zu werden. – Wie auch immer, Gregory erzählte mir, er sei einer der führenden amerikanischen Experten für Primatenforschung gewesen, er habe in den fünfziger und sechziger Jahren an wegweisenden Studien in Amerika und Europa teilgenommen und zahllose Artikel zum Thema veröffentlicht. Er zeigte mir einen Schuhkarton voller vergilbter Wissenschaftsmagazine und ein Buch, das ein Universitätsverlag in den späten sechziger Jahren herausgebracht hatte. Die restlichen Bücher und Dokumente seien im Laufe der Zeit verlorengegangen, sagte er. – Nun, ich begann mich für diesen Mann und seine Arbeit zu interessieren und fahndete in der Bibliothek nach ihm, fuhr sogar für ein paar Tage nach Washington, um in der Kongressbibliothek nach Informationen zu suchen. Im Zuge dieser Ermittlungen las ich alles im Zusammenhang mit Primatenforschung, natürlich auch die Werke von Gregory, die ich in den Katakomben der Kongressbibliothek aufgestöbert und vom Staub der Jahrzehnte befreit hatte. Und so kam es, dass ich, ohne je einem lebenden Schimpansen begegnet zu sein, Zoobesuche ausgeschlossen, innerhalb von zwei Jahren ein Experte auf diesem Feld wurde. – Dann, eines Tages im kältesten Winter, den ich je erlebt habe, starb Gregory, und sein einziger Sohn kam, um seine Sachen abzuholen. Als ich ihm sagte, sein Vater habe in mir die Leidenschaft für die Primatenforschung geweckt, lud er mich ein, ihn zu begleiten und mir Gregorys Nachlass anzusehen. Ben, der in Guatemala für Texaco arbeitete, fuhr mich zu dem Haus, in dem seine Eltern gelebt hatten, bis seine Mutter starb und sein Vater, nach einem Sturz gehbehindert, ins Heim musste. Das Haus war klein und schäbig, der Vorgarten völlig verwildert. Obwohl es seit zwei Jahren zum Verkauf stand, wurde Ben es nicht los. Im Innern war es eiskalt, aber alles sah so aus, als hätten es die Bewohner gerade erst verlassen und würden jeden Moment zurückkehren. Ich durfte von Gregorys Sachen nehmen, was ich wollte, dann fuhr mich Ben mit dem ganzen Zeug zu meiner Zweizimmerwohnung, die so eng war, dass wir einen Teil der Kisten in dem Dodge unterbringen mussten, den ich für vierhundert Dollar gekaufthatte und der mit Getriebeschaden hinter dem Haus stand. Ich erinnere mich, dass die Türen eingefroren waren und ich einen Eimer heißes Wasser holen musste, damit wir sie aufkriegten.« Tanvir kicherte. Trotz der erheblichen Menge Alkohols in seinem Blut war er in passabler Verfassung; nur manchmal, wenn er einen Satz zu schnell anging, lallte er ein wenig. »Nach drei Jahren hatte ich genug von Baltimore und seinen trostlosen Vororten und eiskalten Wintern, also ließ ich den Dodge reparieren und fuhr nach Mexico. Ich mietete eine Bruchbude in einem Zweihundertseelenkaff am Meer und ließ mir von einem Schweden, der in einem Wohnwagen lebte und malte, das Schwimmen beibringen. Über ein Jahr verbrachte ich dort,

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