Auf den Inseln des letzten Lichts
verkaufte den Dodge, um länger bleiben zu können. Als ich kein Geld mehr hatte, fuhr ich per Anhalter zurück nach Baltimore und arbeitete dort ein halbes Jahr in einer Schreinerei, natürlich illegal und für einen Hungerlohn. Bevor es Winter wurde, stieg ich in den Bus nach Miami, wo ich fast ein ganzes Jahr in der Küche eines Seafood-Restaurants Geschirr spülte und den Boden schrubbte. Die nächsten fünf Jahre verliefen nach einem ähnlichen Muster. Ich reiste herum, arbeitete eine Weile und zog dann weiter, San Diego, Los Angeles, San Francisco, Seattle, Las Vegas, New York. Bis ich wieder in Baltimore landete, wo mein Cousin dritten Grades mir eröffnete, ich könne nicht mehr im Zimmer seiner Tochter wohnen, weil sie gerade ihren Mann verlassen habe und wieder bei ihren Eltern einzog. Er lieh mir fünfhundert Dollar und wünschte mir alles Gute. Ich glaube, seine Frau war nicht unglücklich darüber, mich loszuwerden, ich hörte einmal, wie sie zu einer Freundin am Telefon sagte, ich sei ein bedauernswerter Taugenichts.« Tanvir kicherte wieder, verschluckte sich am Gin und hustete. »Wie dem auch sei, von dem Geld kaufte ich mir einen Toyota Minibus, belud ihn mit meinen Habseligkeiten und fuhr los, runter nach South Carolina, dann Richtung Golf von Mexiko, New Orleans. Geschlafen habe ich im Bus auf einer Luftmatratze, umgeben von den Kisten mit Gregorys Vermächtnis, und nachts, im Schein einer Campinglampe, las ich in den Unterlagen.« Tanvir nahm einen Keks aus der Dose, betrachtete ihn wie etwas, dessen Äußeres nicht mit dem übereinstimmte, was er erwartet hatte, und legte ihn zurück. »Und da stieß ich auf Informationen über die in Texas beheimatete Robert und Nancy Preston-Stiftung. Ich blieb einpaar Monate in der Gegend um New Orleans und fuhr dann nach Fort Worth, wo ich genau einen Tag vor Robert Prestons Beerdigung eintraf. Der Baumagnat war auf einer Geschäftsreise in Russland einem Herzinfarkt erlegen, in den Armen einer Prostituierten, wie später behauptet wurde. Eine hässliche Geschichte, die beweist, dass Teile der Presse nach dem Grundsatz ›Im Zweifel gegen den Angeklagten‹ handeln, ganz egal, ob dabei Unschuldige zu Schaden kommen. – Nun, wie dem auch sei, er hinterließ seiner Frau ein Millionenvermögen, Kinder hatten sie keine. Die Stiftung unterstützte soziale, kulturelle und wissenschaftliche Projekte, auch IPREC, das International Primate Research Center, von dem Sie ja die traurigen Überbleibsel gesehen haben.«
»Und diese Stiftung zahlt noch immer? Für das hier?«
»Ich habe sehr enge persönliche Verbindungen zu Nancy Preston, müssen Sie wissen. Ich wurde zwar damals bei der Beerdigung nicht zum Kreis der Trauernden vorgelassen, aber ein paar Wochen später gelang es mir, sie anlässlich der Einweihungsfeier eines Heims für ledige Mütter in Austin anzusprechen. Ich stellte mich ihr als Humanmediziner vor, dessen Leidenschaft der Primatenforschung gilt, und bat sie, mir bei meinem Vorhaben, in irgendeiner Form für IPREC tätig zu werden, behilflich zu sein. Zu meiner Überraschung lud sie mich schon wenige Tage darauf zu sich nach Hause ein, und im Verlauf der nächsten Wochen und Monate wurden wir Freunde. Sehr gute Freunde, wenn ich das sagen darf.«
»Warum lebt Nancy Preston hier auf der Insel?«
Tanvir sah Tobey erstaunt an. »Sie waren in der Villa?«
»Ja. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass die alte Frau in dieser Bruchbude gut aufgehoben ist.«
Tanvir stieß einen seiner langen Seufzer aus. »Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Tobey«, sagte er dann. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass diese zugegebenermaßen problematische Unterbringung ganz und gar Nancys Willen entspricht. Vor einem Jahr, nachdem sie mit einem Zigarettenstummel ihren Teppich in Brand gesetzt hatte, quartierten wir sie hier ein, in diesen Räumlichkeiten, und ich zog in das Zimmer, das Sie jetzt bewohnen, doch das behagte ihr überhaupt nicht. Nancy Preston ist eine sehr freundliche und kultivierte Dame, aber sie hat ihre Eigenarten, und eine davon ist, dass sie die meiste Zeit des Tages niemanden umsich herum erträgt, und eine andere, dass sie die Nacht zum Tag macht, laut Musik hört und bis in die Morgenstunden nicht zur Ruhe kommt. Sie wollte zurück in die Villa, die übrigens einmal auf der anderen Insel stand und mit großem Aufwand hier wieder aufgebaut wurde, und wir haben ihrem Wunsch entsprochen. Sie fühlt sich sehr wohl dort, glauben Sie mir.«
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher