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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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aus, der Regen hatte seinen Teil zu der Verwüstung beigetragen. Die hellen, vom Meer geschliffenen Steine lagen überall verstreut, der Grabstein, ein grob in eine rechteckige Form gehauenes Stück Fels vom Strand, ragte schief aus der aufgeworfenen Erde, der Rasen um die notdürftig zugeschüttete Grube verschwand stellenweise unter Erdklumpen und Grasbüscheln. Tobey holte die Schaufel aus dem Schuppen und fing an zu arbeiten. Die offenen Blasen an den Handflächen taten weh, aber er biss die Zähne zusammen. Er klopfte die Erde über dem Grab flach und reinigte den Rasen mit dem Rechen, warf die Grasbüschel in den Wald. Mit einem Eimer ging er dreimal zum Strand und holte dunkle Steine, die er zusammen mit den hellen zu einem Muster verlegte. Auf den Knien rutschte er den Kiesweg entlang und befreite ihn von Erdbrocken und Unkraut. Zuletzt schnitt er große violette Blüten von einem Baum und stellte sie in ein mit Wasser gefülltes Glas.
    Dann wusch er sich im Wasserbecken die Hände und setzte sich auf die Bank. Die Kühle der Nacht begann der Wärme des Tages zu weichen, der Himmel hellte von den Rändern her auf. Tobey ruhte sich aus, schöpfte Atem. Als er so weit war, ging er zu Megans Grab, zog das Blatt Papier aus der Hosentasche und faltete es auseinander. Bis auf das Zirpen der ersten Insekten war es still, in Böen trug der aufkommende Wind die Rufe der Vögel heran.
    »Das ist für dich, Megan«, sagte Tobey. »Du weißt, mit Worten war ich nie so geschickt wie du, aber hör’s dir trotzdem mal an, ja?« Er räusperte sich, dann las er, was er am Abend zuvor geschrieben hatte. »Megan O Flynn hat nie viel gebraucht, um zufrieden zu sein. Als sie klein war,genügten ihr eine Schachtel Buntstifte, ein Sprungseil, eine schmetterlingsförmige Plastikhaarspange, die sie dem Pferd in die Mähne steckte statt ins eigene Haar. Sie konnte eine Hälfte des Tages mit dem Bau eines Hauses für einen obdachlosen Maikäfer verbringen und die andere mit dem feierlichen Begräbnis eines Bachstelzenkükens. Aus leeren Streichholzschachteln und Stoffresten bastelte sie Betten, die sie in Mauselöcher schob. Sie las den Kühen aus der Lokalzeitung vor und den Krähen und Elstern aus Gedichtbänden. Jedem Tier gab sie einen Namen, vom Käfer über das Huhn bis zum Hund, den sie Wellie taufte, weil er dem Züchter ein Paar Gummistiefel zerbissen hatte. Wenn es regnete, spielte sie in ihrem Zimmer oder der Scheune mit einem Stoffaffen namens Joe, der eine gelbe Latzhose trug und mit einer tiefen, kratzigen Stimme sprechen konnte. Megan O Flynn hat aufgehört an Gott zu glauben, als sie im Garten hinter dem Haus eine sterbende Amsel fand und vergeblich für sie betete. Drei Jahre alt war sie da, und weder die Drohungen des Vaters noch die Appelle des Pfarrers brachten sie dazu, ihre Entscheidung rückgängig zu machen. Mit vier hörte sie auf, Fleisch zu essen, mit elf gewann sie einen nationalen Kurzgeschichtenwettbewerb, mit fünfzehn schwamm sie einen Landesrekord über zweihundert Meter Butterfly, mit achtzehn trat sie aus der Kirche aus, mit zwanzig ging sie nach England, mit vierundzwanzig brach sie das Studium der Veterinärmedizin ab, mit sechsundzwanzig verschwand sie für immer. Es ist schwer zu sagen, warum sie zur ruhelosen Seele wurde, denn als Kind konnte sie einen ganzen Tag lang auf dem Stamm einer gefällten Buche sitzen und Ameisen beobachten oder eine Geschichte über einen Wurm schreiben, der sich in eine Raupe verliebt und zusehen muss, wie sie als Schmetterling davonfliegt. Sie wollte immer mehr wissen als andere Kinder, wollte von allem, was ihr erzählt wurde, auch die andere Seite kennen, den geheimen Schatz oder das schreckliche Geheimnis. Wenn Megan O Flynn unrecht hatte und es doch einen Gott gibt, wäre es schön, wenn er sie nicht abweisen würde. Vielleicht gibt es im Jenseits ja Wälder und Wiesen und Seen und ein Meer für all die Tiere. An so einem Ort würde sie sich bestimmt wohl fühlen.«
    Tobey blieb noch eine Weile vor dem Grab stehen, dann faltete er das Blatt zusammen, steckte es ein und ging weg.
     
    Nach dem zweiten Klopfen öffnete Montgomery die Tür. Er trug Pantoffeln und eine Art Hausmantel, der von einem Gürtel zusammengehalten wurde und unter dem ein weißes T-Shirt leuchtete. Die eine Hand lag auf dem Türknauf, die andere hielt eine Haarbürste.
    »Hallo«, sagte Tobey.
    Montgomery nickte. Sein Gesicht drückte nichts aus: keine Freude, kein Erstaunen, keine

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