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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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beide Hände kurz ins Eiswasser und sah zum Fenster. Es bestand nur aus einer Öffnung mit einem Fliegengitter, an dessen Außenseite sich zahllose Falter niedergelassen hatten.
    »Das Boot war hier«, sagte Tanvir tonlos. Seine Fußsohlen waren ockerfarben. Sie erinnerten Tobey an die Farbe seiner Gitarre, die er vor der Abreise viel zu billig verkauft hatte.
    Tobey sagte nichts.
    »Sie wollen weg und dann gehen Sie spazieren. Sie sind ein seltsamer Mensch, Tobey.«
    »Vielleicht will ich gar nicht weg.« Das eisigkalte Wasser tat an den Fingern weh, aber es half auch gegen das Brennen der Handflächen.
    »Habe ich Sie gerade richtig verstanden? Sie wollen nicht weg?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und was wollen Sie hier?«, rief Tanvir. »Sie trinken ja nicht mal!«
    »Ich weiß es nicht.« Tobey nahm die Hände aus dem Wasser und trocknete sie mit dem Handtuch ab, das um seine Schulter gehangen hatte. »Ich weiß nicht, wohin ich soll.«
    Eine Zeitlang schwiegen die beiden. Ein besonders großer Nachtfalter landete am Fliegengitter. Zwei helle Punkte auf seinen Flügeln sahen aus wie ein Augenpaar.
    »Sie können nicht bleiben, Tobey.« Tanvir legte das durchtränkte Handtuch in den Teller, der auf dem Nachttisch stand.
    »Warum nicht?«
    »Es geht nicht. Die Gründe spielen keine Rolle.«
    »Für mich schon. Ist es, weil ich nicht trinke? Kann ich bleiben, wenn ich anfange zu saufen?«
    »Ach, hören Sie doch auf.« Der Fleck auf Tanvirs Wange sah von weitem aus wie ein Feuermal.
    »Waren es die Männer aus dem Boot?«
    »Was?«
    »Die Sie geschlagen haben.«
    »Ich sage Ihnen doch, ich bin gestern Nacht gestürzt. Sie haben ja gesehen, dass ich ein wenig zu viel getrunken hatte.«
    »Wo sind Sie gestürzt?«
    »Hier drin.«
    »Woran haben Sie sich den Kopf gestoßen?«
    »Ist das ein Verhör?« Tanvir sah sich um. »Da«, sagte er dann, »an der Truhe, auf der Sie sitzen.«
    »Blödsinn.« Tobey stellte die Schüssel weg, stemmte sich an den Krücken hoch und humpelte zur Tür.
    »Wohin gehen Sie?«
    »Ich frage Rosalinda.« Tobey verließ das Zimmer.
    »Warten Sie!«
    Tobey hatte das halbe Wohnzimmer durchquert und blieb stehen.
    »Kommen Sie zurück, Herrgott noch mal!« Tanvir murmelte etwas Unverständliches. »Und bringen Sie die Flasche mit, die auf dem Tisch beim Sofa steht!«
    »Hier steht keine Flasche.« Das Handtuch und die Flasche waren weg, auf dem Tisch lag nur noch eine Packung Streichhölzer.
    Wieder murmelte Tanvir etwas, von dem Tobey nichts verstand, jedoch annahm, es sei Bengalisch. »Auf der Veranda finden Sie eine Flasche im Eimer unter dem Klappstuhl!«
    Tobey holte den Gin und ein Glas und brachte beides ins Schlafzimmer, was auf Krücken kein leichtes Unterfangen war. Er setzte sich ans Fußende des Bettes, füllte das Glas zur Hälfte und reichte es Tanvir, der es mit einem mürrischen Grunzen entgegennahm, leerte und Tobey gleich wieder hinhielt.
    »Mann, wissen Sie eigentlich, wie giftig das Zeug ist?«
    »Ach, langweilen Sie mich nicht mit Ihrem Gesundheitsgeschwätz! Was ist, muss ich Sie darum bitten?«
    Tobey goss erneut Gin in das Glas.
    »Giftig«, murmelte Tanvir und trank einen Schluck. »Das will ich doch hoffen!«
    Tobey erhob sich.
    »Wo wollen Sie jetzt wieder hin?«
    »Ich setze mich auf die Truhe.«
    »Meinetwegen. Aber lassen Sie die Flasche hier.«
    Tobey gab Tanvir die Flasche, humpelte zur Truhe, setzte sich hin und legte den Fuß auf das Bett. Der Knöchel hatte jetzt dieselbe Farbe wie Tanvirs Wange.
    »Also, wollen Sie die kurze oder die lange Version?«
    »Die kurze.«
    Tanvir setzte sich aufrecht hin. Er sah sekundenlang in das Glas und dann Tobey in die Augen. »Sie wissen doch bestimmt, wie intelligent Montgomery ist, nicht wahr?«
    Tobey nickte.
    »Es gibt Leute, die wollen aus dieser Intelligenz Geld machen. Sie verlangen von mir, dass ich mit Montgomery auftrete, eine Show mit ihm veranstalte. Aber ich weigere mich.«
    »Und diese Leute waren heute hier und haben Ihnen das da verpasst?«
    »So ist es.«
    »Warum schnappen die sich Montgomery nicht einfach und ziehen die ganze Sache ohne Sie durch?«
    »Montgomery ist auf mich fixiert, mit Fremden kommuniziert er nicht.«
    »Mit mir schon.«
    »Sie sind eine Ausnahme. Ich staune selber.«
    »Wer sind diese Leute?«
    »Burschen aus Manila, übles Gesindel.«
    »Und die hätten mich heute mitgenommen?«
    Tanvir blickte wieder ins Glas, nickte.
    »Wer sind dann die Kerle, die ich vorletzte Nacht gesehen habe?

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