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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Jay Jay davon?«
    »Nein. Nur ich.« Tanvir setzte sich auf den Hocker, zog die Sandalen aus und schlüpfte in die Turnschuhe. »Sie werden sich fragen, was das für ein Boot ist. – Nun, vor ziemlich genau vier Monaten ging ich abends am Strand spazieren.«
    Tobey stöhnte laut auf.
    »Strandspaziergänge sind sonst nicht unbedingt meine bevorzugteAbendbeschäftigung«, fuhr Tanvir unbeirrt fort, »und es war mehr als nur Zufall, dass ich ausgerechnet an jenem …«
    »Die Kurzversion!«, rief Tobey entnervt. »Wenn Sie mich schon zulabern müssen, dann fassen Sie sich verdammt noch mal kurz!«
    »Kein Grund, wieder unflätig zu werden. Miguel und Jay Jay liegen vielleicht in ihren Betten, aber bis sie schlafen, kann es eine Weile dauern. Es wäre töricht, jetzt schon zum Boot zu gehen. Also unterbrechen Sie mich nicht und hören Sie zu.« Tanvir atmete einmal tief ein und aus. »Sie erlauben?«
    Tobey antwortete nicht. Er legte sich hin, versuchte vergeblich, die Hand nach dem Messer zu strecken, und schloss die Augen.
    »Ich nehme das als ein Ja«, sagte Tanvir. »Nun, wie gesagt, es war mehr als nur Zufall, dass ich just an jenem Abend am Meer entlangging. Es war Bestimmung. Am Tag zuvor hatte ein Sturm getobt, der Strand war übersät mit Schwemmholz und Abfall. Ich hing meinen Gedanken nach, und plötzlich, hinter einer Biegung, sah ich es. Zuerst dachte ich, es handle sich um eine Sinnestäuschung, nun ja, es war später Abend, ich hatte bereits einen Aperitif zu mir genommen, das tue ich meistens vor dem Essen, aber es war wirklich da. Vor mir lag es im Sand, wie eine riesige weiße Muschel, ich konnte es berühren, es war ein Boot, noch dazu ein Rettungsboot, das müssen Sie sich mal vorstellen. Ein Geschenk des Himmels, ich habe gezittert vor Aufregung. Wahrscheinlich hat eine Jacht es verloren, vielleicht auch eine Fähre oder ein Fischkutter. Drei Paar Ruder waren an den Innenseiten befestigt, immer zwei zusammen und …«
    »Moment mal.« Tobey setzte sich auf und sah Tanvir an. »Ein Ruderboot? Sie wollen in einem Ruderboot von hier weg?«
    »Natürlich!«, rief Tanvir, und es war schwer zu sagen, ob sein Begeisterungsschub von Zuversicht oder Alkohol beflügelt wurde. »Ich kann Ihre Skepsis verstehen und Ihnen versichern, dass sie völlig unbegründet ist! Überlegen Sie doch …« Er stand unvermittelt auf und schlich zur Tür, horchte daran und öffnete sie dann leise, spähte in den dunklen Flur und schloss die Tür wieder. »Überlegen Sie doch, ein Motor macht Lärm und braucht Benzin, und wenn etwas daran kaputt ist, muss ich Ihnen ehrlich sagen, dass ich nicht der richtige Mann für eine Reparatur bin. Undnehmen Sie es mir nicht übel, aber nachdem ich Ihr Floß gesehen habe, bezweifle ich, dass Sie handwerklich viel begabter sind.«
    »Aber Sie haben doch selbst gesagt, dass die Schiffe hundert Meilen weit weg durchfahren! Und sehen Sie sich meine Hände an!« Er drehte die Handflächen nach außen, soweit es mit den Fesseln möglich war.
    »Wir müssen keine hundert Meilen weit rudern. Es gibt eine Insel, etwa dreißig Meilen entfernt, da sind Fischer, die bringen uns gegen Bezahlung zum Festland. Für Ihre Hände habe ich Salbe und Bandagen. Mit Schmerztabletten kann ich Sie ebenfalls eindecken.«
    Tobey ließ sich in die Rückenlehne des Sofas sinken und sah gegen die Decke.
    »Was ist? Überlegen Sie etwa? Das ist Ihre einzige Chance!«
    Tobey sah Tanvir an. »Was ist mit Montgomery und Chester?«
    Tanvir setzte sich hin, legte die verschränkten Arme auf die Beine, beugte den Oberkörper nach vorne und ließ den Kopf hängen, als versuchte er etwas Kleingedrucktes zu lesen, das vor ihm auf dem Boden lag. »Montgomery und Chester …«, murmelte er.
    »Wir lassen sie hier, nicht wahr?«
    Tanvir nickte. »Ja, wir lassen sie hier«, sagte er leise.
    Ein paar Atemzüge lang war es still im Raum.
    »Ist bestimmt besser für sie«, sagte Tobey schließlich. »Sie fühlen sich wohl auf der Insel.«
    »Ja.« Tanvir richtete sich auf, aber sein Rücken blieb krumm, der Kopf gesenkt.
    »Miguel, Jay Jay und Rosalinda werden sich um sie kümmern.«
    Tanvir hob den Kopf, drückte das Kreuz durch und schlug sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel. »Sicher!«, rief er. »Den beiden wird es gutgehen!« Er stand auf, ging zur Kommode und nahm einen Schuhkarton daraus hervor. »Hier ist Geld drin, genug für eine ganze Weile. Chester und Montgomery sind nicht mehr die Jüngsten.« Er lachte

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