Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
Vom Netzwerk:
nicken schüttelte er jetzt den Kopf. »Herrgott! Wenn Sie so intelligent wären, wie Sie stur sind, wären Sie ein Genie! Vor ein paar Stunden habe ich Ihnen angeboten, mit mir zusammen von hier zu verschwinden, aber Sie, Sie mussten ja Ihrer Wut freien Lauf lassen und in einem Triumphzug der Empörung und Zerstörung durch mein Wohnzimmer stampfen und Benzinkanister zusammenschnüren wie ein kleiner Junge, der auf dem Ententeich Pirat spielen will!« Er hob ein Stück einer tönernen Obstschale, die Tobey mit der Krücke zerschmettert hatte, vom Boden auf und warf sie gegen die Kommode.
    »Kriege ich jetzt die beschissenen Pillen oder nicht?« Das Zuhören und Reden strengte Tobey an, am liebsten hätte er die Schlaftabletten schon im Magen gehabt und zugesehen, wie die Farben um ihn herum blasser und die Konturen unschärfer wurden.
    »Vielleicht wäre das sogar am besten«, sagte Tanvir, der sich wiederberuhigt hatte. »Dann müsste ich mir Ihren Schwachsinn und Ihre Flucherei nicht mehr anhören. Aber ich müsste Sie auch zum Boot tragen, und dafür bin ich entschieden zu alt.«
    »Von was für einem Boot faseln Sie?«
    Tanvir nahm in seinem Sessel Platz. »Von dem Boot, in dem wir jetzt sitzen würden, wenn Sie ein reifer Mann wären und kein spätpubertärer, jähzorniger, selbstgerechter Lümmel.«
    »Ach lecken Sie mich doch«, sagte Tobey ruhig. »Sie sind ein mieser alter Drecksack, ein Säufer und vermutlich ein Mörder, also verschonen Sie mich mit Ihrer pseudopsychologischen Scheiße.«
    Tanvir schien zu überlegen, ob das, was Tobey gesagt hatte, der Mühe wert sei, beantwortet zu werden. Er sah auf den Boden zwischen seinen Füßen, hob eine Scherbe auf, betrachtete sie eine Weile und ließ sie wieder fallen, strich sich gedankenverloren über die Glatze und lehnte sich dann zurück, legte die Beine hoch und seufzte.
    Tobey versuchte an die Seitentasche der Hose zu kommen, in der sich das Messer befand, aber Jay Jay hatte ihm die Hände straff und über Kreuz gefesselt, so dass er nicht einmal die Lasche mit dem Klettverschluss berühren konnte.
    »Sie haben mit allem recht.« Tanvirs Stimme war leise, er räusperte sich, ächzte. »Ich bin ein mieser alter Sack und ein Säufer. Und dass meine Kenntnisse in Psychologie nicht eben profund sind, habe ich bereits früher zugegeben. Aber ich bin kein Mörder.«
    »Natürlich sind Sie das!« Tobey wollte brüllen, doch die Kraft dazu fehlte ihm. »Wenn ich mir den verdammten Fuß nicht verstaucht hätte, wäre ich jetzt tot!«
    »Ist derjenige, der den Verurteilten dem Henker übergibt, ein Mörder?«
    Tobey lachte schallend auf. »Sie verfluchter Heuchler! Sie wollten mich umbringen lassen, damit Sie weiterhin Ihren Geschäften nachgehen können! Ich hätte Sie vor ein paar Stunden mit den Krücken totschlagen sollen! Ich hätte die Welt von einem Geschwür befreit!«
    »Befreit. Von einem Geschwür. Die Welt.« Tanvir stieß grunzend Luft aus. »Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Sie sind Musiker? Und Sie haben nicht sämtliche Drogen ausprobiert, die Sie bekommen konnten?«
    »Ich habe nie Heroin genommen!«
    »Aber synthetische Drogen, oder?«
    »Lassen Sie mich doch in Ruhe.«
    »Gleich. Erst beantworten Sie mir eine Frage: Woher kommen all diese Pülverchen und Pillen? Was glauben Sie, Tobey? Fällt das Zeug vom Himmel? Wächst es auf Bäumen?«
    Tobey schwieg. Sein Kopf fühlte sich groß und schwer an, etwas darin schien sich auszudehnen, sein Gehirn war ein Schwamm, der sich mit Tanvirs Gerede vollsaugte und gegen die Innenseite des Schädels drückte. Er bewegte die Handgelenke, aber alles, was er damit erreichte, war, dass er sich die Haut aufscheuerte.
    »Ich bin nicht stolz auf das, was ich mache, wirklich nicht. Das Leben auf der Insel ist nicht übel, es gibt Schlimmeres. Aber in wenigen Jahren bin ich siebzig, und es gibt bessere Orte auf der Welt für einen alten Mann als diesen hier. Ich verdiene mir mit der Herstellung von Drogen meine Rente, ja, gut, schuldig im Sinne der Anklage. Der Punkt geht an Sie, den strahlenden jungen Anwalt der Moral und Gerechtigkeit. Aber ich verrate Ihnen etwas.« Tanvir erhob sich ächzend, ging zur Kommode, holte die Flasche und das Glas und ließ sich zurück in den Sessel fallen. »Es gäbe keine Drogen, wenn es keine Abnehmer gäbe.« Er goss Gin ins Glas und leerte es in einem Zug. »Haben Sie darüber mal nachgedacht, Toto?«
    »Ich wäre wirklich froh, wenn Sie einfach dasitzen, Ihren Gin saufen

Weitere Kostenlose Bücher