Auf den Inseln des letzten Lichts
Sprühen Regen, der von Windböen so heftig herumgeschleudert wurde, dass die Tropfen wie Sandkörner auf die Haut prallten. Ab und zu, wenn eine gewaltige Welle das Boot erfasste und es hochhob und gegen die pulsierende Wolkendecke drückte, wagte Tobey einen Blick über den Bootsrand und sah nichts außer Düsternis und schäumendem Wasser, in das der Regen schlug. Dann legte er sich wieder hin, schloss die Augen und lauschte dem Grollen und Stampfen unter sich.
Nach einer Zeit, die Tobey nicht ermessen konnte, weil sie wie in einem Wachtraum vergangen war, unendlich langsam und doch rasend schnell, wurde alles um ihn herum ruhiger. Die Windstärke nahm ab, die Wellen verloren an Wucht und Bedrohlichkeit. Der Regen ließ nach, die Wolkenschicht war nach oben gewichen, und der Himmel schien höher und weiter geworden zu sein.
Tanvir sah sich um, hob den Blick, als suchte er nach Sternen.
»Haben wir es geschafft?«, fragte Tobey und setzte sich auf. Die Windgeräusche waren schwächer geworden, er musste nur noch sehr laut reden, nicht mehr brüllen.
»Ich weiß nicht. Es kommt mir seltsam vor.«
»Der Sturm ist doch vorbei, oder?«
»Vielleicht«, sagte Tanvir. »Vielleicht auch nicht. Ich habe hier jedenfalls noch kein Unwetter erlebt, das so schnell vorüber war.«
»Aber alles ist ruhig. Und bald müsste es hell werden.«
»Ich traue der Sache nicht.« Tanvir rieb sich über die Glatze. »Auf der Insel gab es auch Stürme, die plötzlich abflauten und eine Stunde später erneut losbrachen, oft noch heftiger als zuvor. Als würden die Naturgewalten sich nur kurz ausruhen.«
»Ich denke, wir haben es hinter uns«, sagte Tobey und setzte sich auf die Bank.
»Wie auch immer. Wir sollten die Zeit nutzen und uns stärken.« Tanvir entriegelte die Klappe der Kiste und holte eine Plastikdose daraus hervor, in der geschälte hartgekochte Eier lagen. Er nahm den Deckel ab und hielt Tobey die Dose hin.
Tobey nahm ein Ei, obwohl er nicht hungrig war. »Wann haben Sie all das Zeug ins Boot gebracht?«
Tanvir grinste. »Während Sie Ihr phantastisches Floß bauten.« Er biss vom Ei ab, kaute lange und trank einen Schluck Wasser aus der Plastikflasche. »Meine Abreise war eigentlich nicht für heute Nacht geplant«, sagte er schließlich. »Aber die hier standen seit Monaten gepackt in ihrem Versteck.« Er deutete auf die beiden Koffer. »Und das Wasser und die Lebensmittel hatte ich schnell beisammen. Das größte Problem war Jay Jay.«
»Hat er nach mir gesucht?«
»Nun ja, nach demjenigen, der die Scheibe eingeschlagen hatte. Er ging mit der Laterne umher, und ich tat so, als käme ich gerade aus dem Bett. Was ja auch irgendwie den Tatsachen entsprach.«
»Und die Pistole?« Tobey aß das Ei in kleinen Bissen.
»Die lag immer geladen unter meiner Matratze. Ich habe sie geholt, nachdem Jay Jay mir von der Scheibe erzählte. Ich hatte so eine Ahnung, dass die auf Ihr Konto ging, aber ganz sicher war ich mir nicht. Als wir den leeren Kanister vor dem Schuppen fanden, wusste ich, was Sie vorhaben.«
»Warum haben Sie mich nicht gehen lassen? Das hätte Ihre ganzen Probleme gelöst.«
»Erstens, weil ich den Bastarden von der MMP oder MPP versprochen hatte, Sie ihnen zu übergeben. Die hätten mir nie geglaubt, dass Sie so verrückt waren und mitten in der Nacht unter einem aufziehenden Sturm auf einem Floß aus Benzinkanistern geflohen sind. Die hätten behauptet, ich würde Sie verstecken, und hätten mir noch ein paar von diesen hier verpasst, um herauszubekommen, wo.« Tanvir tippte mit dem Finger an die Wange. »Und zweitens wollte ich weg, und zwar schnell. Mir wurde klar, wie satt ich das Leben auf der Insel hatte. Alles kam mir plötzlich so traurig vor, so armselig und vergeblich. Der ganze Tag war nichts als ein einziges Desaster gewesen, geprägt von erbärmlichen Fehlschlägen.«
»Die Filmaufnahmen mit Nancy?«
Tanvir hörte auf zu kauen und sah Tobey verdutzt an.
»Montgomery und ich waren Zaungäste.«
Tanvir stieß Luft durch die Nase und schüttelte den Kopf. Er schluckteden Bissen und spülte ihn mit Wasser hinunter. »Ein kleines Feuer im Labor, weil ich mit dem Kopf nicht bei der Sache war. Die muslimischen Mistkerle, die sich plötzlich aufführen wie die Herren der Welt und mich wissen lassen, dass ich ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bin. Die ganze Sache mit Ihnen. Lauter Hinweise, dass es Zeit war, zu gehen.«
»Ohne sich zu verabschieden.«
Tanvir sah auf den Boden,
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