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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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jeder Dorne ge- wachsen war. Mit Waffen freilich war es in der Rauten-Klause schlecht bestellt. Nur über dem Kamin hing eine Flinte, wie man sich ihrer zur Entenjagd bedient, doch mit gekürztem Lauf. Wir hatten sie auf unseren Reisen hin und wieder benutzt, um auf Reptilien zu schießen, die harte Haut und zähes Leben vereinigen, und die ein grober Hagel weit sicherer als der beste Büchsenschuß erlegt. Wenn sie mein Auge streifte, rief die Erinnerung in mir die Moschus-Witterung hervor, wie sie im heißen Uferdickicht dem Jäger, der sich den Lan- dungsplätzen der großen Echsen nähert, entgegen- strömt. Für Stunden, in denen Land und Wasser in der Dämmerung verfließen, hatten wir auf den Lauf ein Silberkorn gesetzt. Dies war das einzige Gerät, das wir in unserem Hause Waffe nennen konnten; ich nahm es daher an mich, und Bruder Otho hing mir die große Ledertasche um, auf deren Klappe Schlingen für erlegte Vögel gesponnen waren, indes im Inneren ein aufgenähter Gurt Patronen hielt.
     So greifen wir in der Eile nach dem ersten, was sich uns bietet; auch hatte Pater Lampros mir die Waffe wohl mehr zum Zeichen der Freiheit und der Feindschaft vorgeschrieben — so wie man als Freund mit Blumen kommt. Der gute Degen, den ich bei den Purpur-Reitern führte, hing hoch im Norden im Vaterhaus; doch hätte ich ihn zu solchem Gange nie gewählt. Er hatte in heißen Reiterschlachten, wenn die Erde unter dem Hufschlag donnert und die Brust sich herrlich weitet, im Sonnenschein geblitzt. Ihn hatte ich gezückt im leichten, wiegenden An- galopp, bei dem die Waffen erst leise und dann immer stärker klirren, indes das Auge im feind- lichen Geschwader bereits den Gegner wählt. Auch hatte ich mich auf ihn verlassen in jenen Augen- blicken des Einzelkampfes, in denen man im Getüm- mel die weite Ebene durchsprengt und viele Sättel schon ledig sieht. Da gab es manchen Hieb, der auf das Stichblatt fränkischer Rappiere und auf den Bügel schottischer Säbel fiel — doch manchen auch, bei dem das Handgelenk den weichen Widerstand der Blöße fühlte, an der die Klinge ins Leben schnitt. Doch alle diese, und selbst die freien Söhne der Barbaren-Stämme, waren edle Männer, die ihre Brust fürs Vaterland dem Eisen boten; und gegen jeden hätten wir beim Gelage das Glas erheben können, wie man es Brüdern tut. Die Tapferen dieser Erde machen im Streite die Grenzen der Freiheit aus; und Waffen, die man gegen solche zückte, die führt man gegen Schinder und Schinder-Knechte nicht. In Eile nahm ich von Bruder Otho Abschied und auch von Erio. Ich faßte es als gutes Zeichen, daß der Knabe mich dabei mit heiterer Sicherheit betrach- tete. Dann machte ich mich mit dem alten Hirten auf den Weg.

                           22.
    Als wir den großen Weidehof erreichten, brach schon die Dämmerung herein. Von weitem er- kannten wir bereits, daß dort Unruhe herrschte; die Ställe leuchteten im Schein von Fackeln und dröhn- ten vom Gebrüll des Viehes, das hastig eingetrieben war. Wir trafen einen Teil der Hirten in Waffen und erfuhren, daß andere noch in entfernten Gründen der Campagna weilten, wo Vieh zu bergen war. Im Hof empfing uns Sombor, der erste Sohn des Alten, ein Riese mit rotem Vollbart und mit einer Geißel, an deren Riemen bleierne Kugeln hingen, in der Hand. Er meldete, daß um die Mittagsstunde in den Wäldern Unruhe aufgekommen war; man hatte Rauch aufsteigen sehen und Lärm gehört. Dann waren aus den Moor-Gebüschen entlang dem Filler- Horne Scharen von Feuer-Würmern und von Jägern hervorgetreten und hatten eine Herde abgetrieben, die dort im Vorwerk lag. Zwar hatte Sombor ihnen noch im Moore einen Teil der Beute wieder abge- nommen, doch hatte er dabei auch Scharen von Förstern festgestellt, sodaß ein Unternehmen zu er- warten stand. Inzwischen hatten seine Späher auch an anderen Punkten, wie bei dem Vorgehölz des roten Stieres, und selbst in unserem Rücken, Streiftrupps und Einzelgänger ausgemacht. So hatte uns unser gutes Glück, noch eben ehe wir abgeschnitten wur- den, bis auf den Hof gebracht.
     Bei diesem Stand der Dinge konnte ich nicht er- warten, daß Belovar mich bei dem Vorstoß in die Wälder begleiten würde, und fand es billig, daß er sich um sein Gut und um die Seinen kümmerte. Da kannte ich jedoch den alten Streiter noch immer nicht gut genug, und nicht den Eifer, des er für Freunde fähig war. Sogleich verschwur er sich, daß Haus und Stall und Scheuern bis

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