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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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entschwunden waren, suchte ich noch, bevor ich mich zur Ruhe legte, die Gold- band-Lilie auf. Die feinen Staubgefäße waren schon beflogen, und die grüngoldene Tiefe des Kelches war mit Purpurstaub befleckt. Ihn hatten wohl die großen Nacht-Papilionen beim Hochzeits-Schmaus verstreut.
     So fließen aus jeder Stunde Süße und Bitterkeit. Und während ich mich über die betauten Blüten- kelche beugte, ertönte aus fernen Vorgehölzen der erste Kuckucks-Ruf.

                           21.
    Den Vormittag verbrachten wir in Sorge, indes der Wagen verlassen vor unserer Pforte stand. Beim Frühstück reichte Lampusa uns einen Zettel von Phyllobius, aus dem wir sahen, daß der Besuch ihm nicht entgangen war. Er bat uns darin, den Fürsten dringend in das Kloster einzuladen; Lam- pusa hatte die Bestellung unheilvoll versäumt.
     Am Mittag kam der alte Belovar, um uns zu mel- den, daß der junge Fürst mit Braquemart in aller Frühe auf seinem Hofe erschienen war. Dort hatte ihn Braquemart, indem er ein bemaltes Pergament studierte, nach Punkten in den Wäldern ausgefragt. Dann waren sie wieder aufgebrochen, und der Alte hatte ihnen aus seiner Sippe Späher nachgesandt. Die beiden waren in dem Striche zwischen dem Filler-Horne und dem Vorgehölz des roten Stieres in die Wälder eingetaucht.
     Die Nachricht lehrte uns, daß Schlimmes zu er- warten stand, und lieber hätten wir gesehen, daß die beiden mit den Knechten und Söhnen des Alten auf- gebrochen wären, wie es ihnen angeboten war. Wir kannten den Grundsatz Braquemarts, niemand sei fürchterlicher als der einzelne von Rang, und hielten es für möglich, daß sie den alten Blutfürsten selbst auf seinem Prunkhof heimsuchen würden, um ihn zu bestehn. Dann aber gerieten sie in die Netze der Dämonen-Macht — wir ahnten, daß schon Lam- pusas Säumnis mit den Zugfäden dieser Netze in Beziehung stand. Wir dachten an Fortunios Schick- sal, der doch ein Mensch von großen Gaben gewesen war, und der sich lange mit den Wäldern beschäf- tigt hatte, ehe er in sie vorgestoßen war. Es war wohl seine Karte, die nach manchem Umweg in den Besitz von Braquemart geraten war. Wir hatten nach Fortunios Tode lange nach ihr gefahndet und er- fahren, daß sie in Schatzgräber-Hände gefallen war.
     So waren die beiden unvorbereitet und ohne hohe Führung in die Gefahr gegangen, wie man in bloße Abenteuer zieht. Sie gingen gleich halben Menschen — dort Braquemart, der reine Techniker der Macht, der immer nur kleine Teile und nie die Wurzeln der Dinge sah, und hier der Fürst Sunmyra, der edle Geist, der die gerechte Ordnung kannte, doch einem Kinde glich, das sich in Wälder, in denen Wölfe heulen, wagt. Doch schien uns möglich, daß Pater Lampros beide auf eine tiefe Weise hätte ändern und einen können, wie es durch die Mysterien ge- schieht. Wir teilten ihm auf einem Zettel die Lage der Dinge mit und sandten Erio eilig zum Kloster der Falcifera.
     Seitdem der Fürst und Braquemart bei uns er- schienen waren, fühlten wir uns beklommen, doch sahen wir die Dinge nun schärfer als bisher. Wir spürten, daß sie kulminierten, und daß wir würden schwimmen müssen, wie man im Strudel durch einen Engpaß schwimmt. Auch hielten wir es für an der Zeit, den Spiegel Nigromontans bereitzuhalten und wollten durch ihn das Licht entzünden, solange die Sonne noch günstig stand. Wir stiegen auf den Altan und flammten auf die vorgeschriebene Weise am Himmelsfeuer durch die kristallene Scheibe die Leuchte an. Mit hoher Freude sahen wir die blaue Flamme sich niedersenken und bargen Spie- gel und Leuchte in der Nische, in der die Laren stehn.
     Noch waren wir beschäftigt, uns wieder umzu- kleiden, als Erio mit der Antwort des Mönches wie- derkam. Er hatte den Pater im Gebet getroffen, der ihm sogleich, und ohne daß er unseren Zettel gelesen hätte, ein Schreiben übergab. So überreicht man Ordres, die seit langem versiegelt in Bereit- schaft sind.
     Wir sahen, daß die Botschaft zum ersten Male mit Lampros unterzeichnet war; auch war das Wappen mit dem Spruche „meyn geduld hat ursach” ihr beigefügt. Zum ersten Male war auch von Pflanzen in ihr nicht die Rede, sondern der Pater bat mich in kurzen Worten, den Fürsten aufzusuchen und für ihn zu sorgen, auch fügte er hinzu, ich möchte nicht ohne Waffen gehen.
     Da galt es, eilig sich zu rüsten, und ich legte, mit Bruder Otho hastige Sätze wechselnd, den alten und langbewährten Jagdrock an, der

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