Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]
tödlichste Phase?
Aber wenn Emmerlein hingegen nichts wusste, nichts ahnte, wenn diese Begegnung nur ein Zufall war? Doch warum schwieg er dann?
So lag Bachmann und wartete fieberhaft auf den Angriff Emmerleins, behielt ihn aus dem Augenwinkel in einer Beobachtung, die ihn retten sollte. Keiner sprach ein Wort, und die Minuten verrannen, endlos lang erschienen sie, in denen nur der Wind und das Meer die einzigen Geräusche verursachten.
Da war Emmerlein verschwunden wie ein geisterhaftes Wesen, lautlos und plötzlich. Als er sich erhob, sah er Emmerlein auf dem Pfad in Richtung des Geisterdorfes laufen und seine Gestalt bald kleiner und kleiner werden. Was bedeutete dieser seltsame ›Besuch‹ Emmerleins?
War er ein Zufall gewesen?
Oder eine Drohung?
Hatte Emmerlein den geplanten Angriff im letzten Augenblick nicht gewagt?
Es sind drei Möglichkeiten, die erwogen werden sollten, aber welche ist die Lösung, grübelte er, doch ein Ergebnis, das ihn beruhigen konnte, fand er nicht.
Ungehalten trat er gegen einen kleinen Grashügel, traf aber dabei einen in den Halmen verborgenen Stein und hätte sich beinahe verletzt. Nun schmerzte der Zeh seines rechten Fußes heftig.
Noch einmal trat er an den Rand des Abgrundes heran, und er hob die Arme seitlich, so dass sie wie Flügel wirkten, und der Wind fuhr unter sie und gab ihm das Gefühl, dass sie ihn tragen würden, am tödlichen Abgrund, wie ein unsichtbarer, gewollter Schutz.
Seine Augen funkelten zornig unter herabgezogenen Brauen, als er den Weg hinabstieg und in der Ferne das Geisterdorf sah. Für einen Augenblick lang fühlte er sich wie in einem Film, in dem er selbst der Hauptdarsteller war, der das Böse bekämpfen musste, dabei aber in höchste Gefahr geriet. Das Böse aber war Emmerlein.
Es galt jetzt Ruhe zu bewahren.
Es galt jetzt keinen Fehler zu begehen.
Es galt jetzt das Gesetz der Rache zu erfüllen, selbst um den Preis des eigenen Lebens. Doch wenn er das verlor, musste Emmerlein von ihm in das Jenseits mitgenommen werden, in jedem Fall, nichts anderes zählte. Erst dort endete seine Rache.
Der Volvo war nicht gekommen. Diese Tatsache beruhigte ihn. Vielleicht hatte dieser Kerl seine Suche aufgegeben?
Den Nachmittag verbrachte er wandernd mit Sarah, die sich den ganzen Vormittag, wie sie meinte, gut mit zwei Urlauberinnen amüsiert hatte. »Ein kleiner Frauentag eben«, versicherte sie, »der auch einmal sein muss«.
Abends im Speisesaal sah er Emmerlein nicht, obwohl er das Mahl so lange hinauszog, wie es nur ging. Es war ihm, als ob auch Sarah immer wieder zur Tür schaute, aber so, dass er es nicht bemerken sollte, nur registrierte er ihre Blicke dennoch und die Unruhe in ihren Augen, dazu kannte er sie zu gut.
Schweigend kaute er weiter, aß mehr, als er sich sonst gestattete.
War Emmerlein etwa fluchtartig abgereist?
Später wechselte er ein paar Worte mit dem Wirt, nutzte die Gelegenheit um zu fragen, ob Emmerlein wohl wieder guten Fisch bringen würde.
»Aber ja«, sagte der Wirt lächelnd. »Eigentlich habe ich schon längst mit ihm gerechnet. Etwas muss ihn aufgehalten haben. Von den Klippen aus wollte er angeln.«
Doch Emmerlein sah er an diesem Abend nicht mehr, auch seine ihm so verhasste Stimme vernahm er nicht im Haus.
III
Die Stille
In dem vom Regen blassgrün gewaschenen Holzhaus, auf der linken Seite der Fahrrinne, inmitten der anderen verfallenen Speicherhäuser, stand er reglos im Erdgeschoss an einem Fenster, dem das Glas fehlte, blickte über das Wasser zu den anderen Gebäuden, die dunkel und drohend wirkten, wie die schauerliche Kulisse eines Horrorfilmes. Und er blickte auf das Zifferblatt seiner Uhr: Es war Mitternacht. Was hatte ihn nur, um diese Zeit noch, zu solch einem Gang durch die leeren Häuser veranlasst? Doch er war nun einmal unterwegs und so stieg er die ächzenden hölzernen Stufen hinauf, die gewiss lange von keinem Menschen mehr betreten worden waren, um den ersten Stock des Hauses zu erreichen.
Die Räume, durch die er schritt, waren leer und sie waren es gewiss schon sehr lange, und viele Spinnen hatten kunstvolle Netze in die Ecken der Räume gewebt, in denen sie lauerten.
Er trat an ein glasloses Fenster heran und starrte hinaus. Reglos verharrte er, sah die Mitternachtssonne, die wie ein orangefarbener Lampion über dem Meer schwebte und der sich dunkle große Wolken näherten, die an den Rändern zerfranst waren und sie nun bald verdecken würden. Staubige Stille umhüllte ihn.
Da,
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