Auf den Schwingen des Adlers
prallten an den Hausmauern ab.
Eine Patronenhülse landete direkt vor Pauls Füßen.
Sie erstarrten.
Jetzt feuerten die Wachen von den Türmen auf das Gefängnisgelände.
Paul und Bill machten kehrt und rannten ins GebäudeNummer acht zurück. Dort stellten sie sich ans Fenster und beobachteten das wachsende Chaos auf dem Gelände. Es war der reinste Witz: Wochenlang hatten sie nichts anderes als ihre Freiheit im Sinn gehabt, und jetzt, da sie zum Greifen nahe war, zögerten sie.
»Was meinst du, was wir tun sollen?« fragte Paul.
»Ich weiß nicht. Wo ist es gefährlicher – hier drin oder da draußen?«
Paul zuckte mit den Schultern.
»Guck mal, da kommt unser Milliardär.« Sie sahen, wie der reiche Häftling aus ihrem Trakt – der mit dem Privatzimmer, der sich die Mahlzeiten von draußen bringen ließ – mit zweien seiner Diener das Gelände überquerte. Er hatte seinen üppigen Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart abrasiert. Statt seines nerzverbrämten Kamelhaarmantels trug er nur Hemd und Hose: Er hatte abgetakelt, reiste mit leichtem Gepäck, wollte schnell vorankommen. Er wandte sich nach Norden. Hieß das, es gab noch einen Hinterausgang?
Die Wachen aus Gebäude Nummer acht überquerten, alle in Zivil, den kleinen Hof und gingen durchs Tor.
Jedermann verdrückte sich, nur Paul und Bill zögerten noch immer.
»Siehst du das Motorrad dort?« fragte Paul.
»Ja.«
»Damit könnten wir abhauen. Ich hab’ früher mal eines gefahren.«
»Und wie bringen wir’s über die Mauer?«
»Ach so.« Paul lachte über seine eigene Torheit.
Ihr Zellengenosse hatte ein paar große Taschen gefunden und fing an zu packen. Bill wollte auch weg, einfach raus hier, egal, ob das nun zum EDS-Plan gehörte oder nicht. Die Freiheit war nahe, aber draußen flogen Kugeln durch die Luft, und der Mob, der das Gefängnis stürmte, konnte Amerikanern gegenüber durchaus feindlich eingestellt sein. Andererseits war es möglich, daß Paul undBill ihre letzte Fluchtmöglichkeit vertaten, falls die da oben die Kontrolle wieder an sich rissen.
»Ich möchte zu gern wissen, wo Gayden jetzt ist, dieser Schweinehund«, sagte Paul. »Bloß, weil der mich in den Iran geschickt hat, sitze ich hier.«
Bill sah Paul an und merkte, daß es nicht ernst gemeint war. Die Patienten aus dem Erdgeschoß schwärmten auf den Hof. Irgendwer mußte ihre Türen aufgeschlossen haben. Aus dem Frauentrakt auf der anderen Seite der Straße vernahm Bill einen ungeheuren Tumult, ein vielstimmiges Geheul. Immer mehr Menschen rannten über das Gelände, drängten zum Gefängnisausgang. Bill folgte ihnen mit den Augen und entdeckte Rauch. Paul sah ihn im selben Moment.
Bill sagte: »Wenn die jetzt hier Feuer legen ...«
»Wir machen uns besser aus dem Staub.«
Das Feuer gab den Ausschlag. Ihre Entscheidung war gefallen. Bill sah sich in der Zelle um. Sie hatten nur wenige Habseligkeiten hier. Bill dachte an das Tagebuch, das er die vergangenen dreiundvierzig Tage über getreulich geführt hatte. Paul hatte Listen von Dingen erstellt, die er tun wollte, wenn er in die Staaten zurückkam, und sich auf einem Blatt Papier ausgerechnet, wie das neue Haus, das Ruthie kaufte, finanziert werden sollte. Und beide hatten kostbare Briefe, die sie immer und immer wieder gelesen hatten.
»Es ist gescheiter, wir nehmen nichts mit, was uns als Amerikaner ausweist«, sagte Paul.
Bill hatte schon nach seinem Tagebuch gegriffen. Jetzt ließ er es wieder fallen. »Du hast recht«, sagte er wenig begeistert.
Sie zogen ihre Mäntel über, Paul seinen blauen Trenchcoat aus London, Bill seinen Wintermantel mit Pelzkragen.
Jeder von ihnen besaß noch etwa zweitausend Dollar von dem Geld, das Keane Taylor ihnen gebracht hatte.Paul hatte noch ein paar Zigaretten. Sonst nahmen sie nichts mit.
Sie verließen das Gebäude, überquerten den kleinen Hof und blieben zögernd am Tor stehen. Die Straße schien jetzt ein einziges Menschenmeer, das sich mehr oder minder schnell auf die Tore zudrängte – wie das Publikum beim Verlassen eines Fußballstadions.
Paul streckte die Hand aus. »Viel Glück, Bill.«
Bill ergriff sie. »Dir auch viel Glück.«
Womöglich erwischt es uns beide schon in den nächsten Minuten, dachte Bill. Wahrscheinlich erledigt uns eine verirrte Kugel. Ich werde meine Kinder niemals aufwachsen sehen, dachte er traurig. Und Emily wird alles alleine bewältigen müssen.
Erstaunlicherweise hatte er keine Angst.
Sie traten durch die Tür, und dann blieb ihnen
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