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Auf den Schwingen des Adlers

Auf den Schwingen des Adlers

Titel: Auf den Schwingen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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an. Dort war es sechs Uhr morgens. Er erreichte Tom Walter und erzählte von den Bränden, den Kämpfen und den Kindern, die mit automatischen Gewehren auf der Straße herumliefen.
    »Das ist soweit alles«, schloß er seinen Bericht.
    »Also alles in allem ein ruhiger Tag, was?« meinte Walter.
    Sie besprachen, was zu tun sei, wenn das Telefonnetz zusammenbrach. Gayden wollte dann versuchen, ihre Berichte mit Hilfe der US-Armee zu übermitteln: Cathy Gallagher arbeitete dort und glaubte, es arrangieren zu können.
    Keane Taylor ging ins Schlafzimmer hinüber und legte sich hin. Er war gerade im Begriff einzuschlafen, als das Telefon klingelte. Er streckte den Arm aus und griff nach dem Hörer.
    »Hallo?« sagte er schläfrig.
    Atemlos sagte eine Stimme mit iranischem Akzent: »Sind Paul und Bill da?«
    »Was?« erwiderte Taylor. »Raschid – sind Sie das?«
    »Sind Paul und Bill da?« wiederholte Raschid.
    »Nein. Wieso?«
    »Okay. Ich komme, ich komme.«
    Raschid legte auf.
    Taylor erhob sich und ging in den Tagesraum hinüber.
    »Raschid hat gerade angerufen«, teilte er den anderen mit. »Er hat gefragt, ob Paul und Bill hier seien.«
    »Was meint er denn damit?« fragte Gayden. »Von wo hat er angerufen?«
    »Ich konnte nichts weiter aus ihm herausbringen. Er war wahnsinnig aufgeregt, und du weißt, wie schlecht sein Englisch ist, wenn er erst einmal in Fahrt kommt.«
    »Sonst hat er nichts gesagt?«
    »Er sagte: Ich komme, dann hat er aufgelegt.«
    »So’n Mist.« Gayden wandte sich an Howell. »Gib mir mal das Telefon.«
    Howell saß wortlos da, den Hörer am Ohr, um die Verbindung mit Dallas aufrechtzuerhalten. Am anderen Ende der Leitung wartete eine Telefonistin bei EDS darauf, daß jemand etwas sagte. »Geben Sie mir doch jetzt noch einmal Tom Walter, bitte«, sagte Gayden.
    Wenige Minuten später stürmte Raschid ins Zimmer, schmutzig und nach Pulver riechend; Patronenstreifen mitG3-Munition fielen aus seinen Taschen, und er redete wie ein Maschinengewehr, so daß niemand auch nur ein Wort verstand. Taylor beruhigte ihn. Schließlich sagte er: »Wir sind ins Gefängnis reingekommen. Paul und Bill waren schon weg.«
    *
    Paul und Bill standen am Fuße der Gefängnismauer und sahen sich um.
    Das Treiben auf der Straße kam Paul vor wie eine Parade in New York. In den Wohnhäusern gegenüber des Gefängnisses lehnten sich die Leute aus den Fenstern, jubelten und beklatschten den Ausbruch der Gefangenen. An der Straßenecke stand ein Händler, der Obst feilbot. In der Nähe wurde geschossen, aber in ihrer unmittelbaren Umgebung war die Luft rein. Plötzlich – als ob Paul und Bill daran gemahnt werden sollten, daß sie noch längst nicht in Sicherheit waren – raste ein Auto mit Revolutionären vorbei, deren Gewehre aus den Fenstern ragten.
    »Laß uns abhauen«, sagte Paul.
    »Wohin? Zur amerikanischen Botschaft? Zur französischen Botschaft?«
    »Zum Hyatt.«
    Paul schlug den Weg nach Norden ein. Bill ging ein paar Schritte hinter ihm her, den Mantelkragen hochgeschlagen und mit gesenktem Kopf, um sein blasses amerikanisches Gesicht zu verbergen. Sie gelangten an eine Straßenkreuzung, die vollkommen verlassen dalag: keine Autos, keine Menschen. Sie traten auf die Straße. Ein Schuß bellte.
    Sie duckten sich und rannten in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.
    Es würde nicht leicht sein.
    »Wie steht’s mit dir?« fragte Paul.
    »Ich lebe noch.«
    Sie gingen zurück und am Gefängnis vorbei. Die Szene war unverändert; zumindest hatte sich die Obrigkeit noch nicht aufgerafft und begonnen, die Ausbrecher wieder zusammenzutreiben.
    Paul ging abwechselnd in südliche und östliche Richtung und hoffte, sich in einem großen Bogen wieder nach Norden durchschlagen zu können. Überall waren Jungen, manche höchstens dreizehn bis vierzehn Jahre alt, mit automatischen Gewehren unterwegs. An jeder Ecke gab es mit Sandsäcken gesicherte Unterstände, als seien die Straßen in Stammesgebiete unterteilt. Ein Stück weiter mußten sie sich ihren Weg durch eine johlende, singende beinahe hysterische Menschenmenge bahnen. Paul vermied es sorgfältig, irgend jemandem in die Augen zu sehen, weil er nicht auffallen und schon gar nicht angesprochen werden wollte.
    Gekämpft wurde nur noch vereinzelt. Es war wie in New York: Man brauchte nur ein paar Schritte zu gehen und um eine Ecke zu biegen, und schon hatte der Stadtteil ein vollkommen anderes Gesicht. Fast einen Kilometer weit kamen sie durch ruhige

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