Auf den Schwingen des Adlers
›Saubere‹ und das ›Dreckige Team‹ nahmen Abschied und wünschten sich gegenseitig Glück, wobei niemandem klar war, wer es nötiger hatte; dann machte sich das ›Saubere Team‹ auf den Weg.
Es war Abend geworden. Coburn und Keane Taylor gingen zu Madjids Haus, um ihn abzuholen: Er und Seyyed sollten die Nacht in der Dvoranchik-Wohnung verbringen. Außerdem mußten sie das 200-Liter-Faß Benzin holen, das Madjid für sie aufbewahrte.
Madjid war nicht zu Hause.
Verärgert warteten sie auf ihn. Endlich kam er. Er begrüßte sie, hieß sie willkommen, rief nach Tee – das übliche Brimborium. Schließlich sagte Coburn: »Wir fahren morgen früh. Am besten kommen Sie gleich mit.«
Madjid bat Coburn ins Nebenzimmer, und dort sagte er: »Ich kann nicht mitkommen.«
»Wieso nicht?«
»Ich muß Howayda töten.«
»Was?« fragte Coburn ungläubig. »Wen?«
»Amir Abbas Howayda, den ehemaligen Premierminister.«
»Warum müssen Sie den töten? «
»Das ist eine lange Geschichte. Unter dem Schah gab es eine Landreform, und Howayda hat versucht, meinerFamilie das Stammesland wegzunehmen. Dagegen haben wir uns gewehrt, und Howayda ließ mich ins Gefängnis werfen ... All die Jahre habe ich auf meine Rache gewartet. Ich habe die Waffen, und die Gelegenheit ist günstig. Schon in zwei Tagen kann die Situation ganz anders aussehen.«
Coburn war fassungslos. Er wußte einfach nicht, was er sagen sollte. Es war klar, daß Madjid sich nicht würde umstimmen lassen.
Coburn und Taylor hievten das Benzinfaß in den Fond des Range Rovers und verabschiedeten sich. Madjid wünschte ihnen viel Glück.
In der Dvoranchik-Wohnung angekommen, versuchte Coburn, den Cycle Man zu erreichen, von dem er hoffte, er würde für Madjid einspringen. Der Cycle Man war ebenso viel unterwegs wie Coburn selbst. Normalerweise erreichte man ihn unter einer bestimmten Telefonnummer – der irgendeines Revolutionshauptquartiers, wie Coburn vermutete – zu einer bestimmten Tageszeit. Dieser Zeitpunkt war schon verstrichen – es war schon spät –, dennoch versuchte es Coburn. Der Cycle Man war nicht da. Auch woanders war er nicht zu erreichen.
Wenigstens hatten sie Seyyed.
Um halb elf machte sich Coburn auf, um Seyyed zu treffen. Er ging durch die verdunkelten Straßen die etwa anderthalb Kilometer bis zum Argentine Square, tastete sich durch eine Baustelle bis zu einem leerstehenden Gebäude. Dort wartete er.
Um elf Uhr war Seyyed noch immer nicht aufgetaucht.
Simons hatte Coburn aufgetragen, auf keinen Fall länger als eine Viertelstunde zu warten. Coburn beschloß, noch ein paar Minuten zuzugeben.
Er wartete bis halb zwölf.
Seyyed ließ sich nicht blicken.
Coburn fragte sich, was passiert sein mochte: Bei Seyyeds Herkunft war es gut möglich, daß er den Revolutionären zum Opfer gefallen war.
Das war eine Katastrophe für das ›Dreckige Team‹. Jetzt hatten sie keinen einzigen Iraner, der sie begleitete. Wie, zum Teufel, sollen wir durch die vielen Straßensperren kommen? fragte sich Coburn. Erst fällt der Professor aus, dann Madjid, dann finden wir den Cycle Man nicht, und jetzt fällt auch noch Seyyed aus. Verdammte Scheiße.
Er verließ die Baustelle und machte sich auf den Heimweg. Plötzlich hörte er ein Auto näher kommen. Er sah sich um und erblickte einen Jeep voller bewaffneter Revolutionäre, die den Platz umkreisten. Er duckte sich hinter den nächstbesten Busch. Sie fuhren vorbei.
Er ging weiter, rannte fast, und fragte sich, ob heute nacht wohl Ausgangssperre war. Er war schon beinahe zu Hause, als der Jeep wieder auf ihn zugeschossen kam.
Sie haben mich gesehen, dachte er, und jetzt kommen sie mich holen.
Es war stockfinster. Vielleicht hatten sie ihn doch noch nicht gesichtet. Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte zurück. In dieser Straße gab es keine Deckung. Der Jeep röhrte jetzt lauter. Endlich entdeckte Coburn irgendwelches Buschwerk und warf sich hinein. Da lag er nun mit klopfendem Herzen, und der Jeep kam immer näher. Waren sie auf der Suche nach ihm? Hatten sie Seyyed geholt und gefoltert und zu dem Geständnis gebracht, daß er mit einem amerikanischen Kapitalistenschwein um Viertel vor elf am Argentine Square verabredet war ...?
Ohne anzuhalten fuhr der Jeep vorbei.
Coburn rappelte sich auf und rannte schnurstracks zum Dvoranchik-Haus. Dort sagte er Simons, daß sie jetzt überhaupt keinen iranischen Fahrer hätten.
Simons fluchte. »Gibt’s irgendeinen anderen Iraner, den wir
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