Auf den Schwingen des Adlers
versteckten sich wie gehabt, aber es war wiederum für die Vermieterin.
Dafür, daß sie so viele waren und nur ein Wohn- und drei Schlafzimmer zur Verfügung hatten, legten sie eine bemerkenswerte Gelassenheit an den Tag. Der einzige, der ab und zu gereizt reagierte, war, wie zu erwarten, Keane Taylor. Er und Paul kochten für die ganze Mannschaft einen Festschmaus und hinterließen einen fast leeren Kühlschrank; doch als Taylor aus der Küche kam, hatten die anderen ihm keinen Bissen übriggelassen. Er beschimpfte sie durch die Bank weg als verfressene Schweine, und wie immer, wenn Taylor wütend wurde, mußten alle lachen.
In der Nacht drehte er wieder durch. Er schlief auf dem Fußboden neben Coburn, und der schnarchte. Der Lärm war so grausig, daß Taylor nicht einschlafen konnte. Es gelang ihm nicht einmal, Coburn zu wecken, um ihm zu sagen, er solle mit Schnarchen aufhören, und das brachte das Faß endgültig zum Überlaufen.
*
In Washington schneite es in dieser Nacht. Ross Perot war müde und angespannt.
Fast den ganzen Tag über hatte er mit Mitch Hart einen letzten Versuch unternommen, die Regierung dazu zu überreden, seine Leute aus Teheran ausfliegen zu lassen. Er hatte mit David Newsom, Staatssekretär im Außenministerium, gesprochen, mit Thomas V. Beard im Weißen Haus und mit Mark Ginsberg, einem jungen Carter-Gehilfen, der für den Informationsfluß zwischen Weißem Haus und Außenministerium zuständig war. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die noch in Teheran lebenden eintausend Amerikaner zu evakuieren, und zeigten sich wenig geneigt, für Ross Perot eine Extrawurst zu braten.
Ross Perot fand sich also damit ab, daß er in die Türkei mußte, und suchte ein Sportwarengeschäft auf, in dem er sich Winterkleidung kaufte. Die gemietete 707 kam aus Dallas, und Pat Sculley rief vom Flughafen Dulles an und meldete, daß auf dem Flug hierher technische Probleme aufgetaucht seien: Eine der Anzeigetafeln und das Trägheitsnavigationssystem funktionierten nicht ordnungsgemäß, das Haupttriebwerk verbrauchte doppelt soviel Öl wie normal, der Sauerstoffvorrat für die Kabine war unzureichend, es gab keine Ersatzreifen, und die Ventile des Wassertanks waren zugefroren.
Während die Mechaniker sich an die Arbeit machten, besprach sich Perot mit Mort Meyerson, einemVizepräsidenten von EDS, im Hotel Madison. Es ging um Geschäfte, und sie behandelten Punkt für Punkt jedes Projekt, an dem EDS gerade arbeitete. Beide wußten, obgleich es keiner aussprach, daß diese Sitzung vor allem stattfand, weil Perot möglicherweise nicht aus der Türkei zurückkehren würde.
In mancher Hinsicht waren die beiden Männer so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Meyersons Großvater war russischer Jude gewesen, der zwei Jahre lang auf eine Eisenbahnkarte von New York nach Texas gespart hatte. Meyersons Interessengebiete reichten vom Sport bis zu den schönen Künsten. Er spielte Handball, hatte gute Kontakte zum Dallas Symphony Orchestra und war selbst ein guter Pianist. In ironischer Umkehrung von Perot und seinen »Adlern« pflegte er von sich und seinem engeren Kollegenkreis als »Meyersons Kröten« zu reden. Doch in anderer Hinsicht ähnelte er Perot – ein schöpferischer, wagemutiger Geschäftsmann, dessen kühne Ideen die konservativeren EDS-Führungskräfte häufig in Angst und Schrecken versetzten. Perot hatte die Anweisung hinterlassen, daß Meyerson, sollte ihm im Laufe der Rettungsaktion etwas zustoßen, das Stimmrecht über sein Aktienpaket zufiele. Das Schicksal von EDS sollte weiterhin in den Händen einer Führerpersönlichkeit und nicht in denen eines Bürokraten liegen.
Während ihrer Besprechung war Perot nach wie vor beunruhigt wegen des Flugzeugs und verfluchte innerlich das Außenministerium, doch seine größte Sorge galt seiner Mutter. Lulu May Perot verfiel zusehends, und Perot verfiel zusehends, und Perot wäre gerne bei ihr gewesen. Sollte sie während seines Türkeiaufenthaltes sterben, so würde er sie nie wiedersehen – und das würde er nicht verwinden.
Meyerson kannte Perots Gedankengänge. Mitten in die Geschäftsbesprechung hinein sagte er: »Ross, soll nicht lieber ich gehen?«
»Was meinst du damit?«
»Soll ich nicht statt deiner in die Türkei gehen? Du hast deine Schuldigkeit getan, du warst im Iran. Und in der Türkei kannst du nichts unternehmen, was ich nicht genausogut erledigen könnte. Außerdem willst du doch bei deiner Mutter bleiben.«
Perot war gerührt.
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