Auf den Schwingen des Adlers
Auch Mort tut mehr als seine Schuldigkeit, dachte er. »Wenn du wirklich willst ...« Die Versuchung war groß. »Darüber muß ich erst mal nachdenken. Laß mir ein bißchen Zeit.«
Er wußte nicht, ob er überhaupt das Recht hatte, Meyerson an seiner Stelle da hineinzuziehen. »Mal hören, was die anderen dazu sagen.« Er rief in Dallas an und sprach mit T. J. Marquez. »Mort hat mir angeboten, für mich in die Türkei zu gehen«, sagte Perot. »Was meinst du dazu?«
»Das ist ja hirnverbrannt«, erwiderte T. J. »Du warst von Anfang an dabei und kannst Mort nicht alles, was er wissen muß, in ein paar Stunden erzählen. Du kennst Simons, du kennst seine Gedankengänge – Mort nicht. Und außerdem, Simons kennt Mort nicht – und du weißt doch, wie mißtrauisch Simons Unbekannten gegenüber ist. Er traut ihnen einfach nicht ...«
»Du hast recht«, sagte Perot. »Reden wir nicht mehr darüber.« Er legte auf. »Mort, vielen Dank für dein Angebot, aber ich gehe selber.«
»Wie du willst.«
Kurz darauf ging Meyerson und kehrte in der gecharterten Lear nach Dallas zurück. Perot rief noch einmal bei EDS an und sprach mit Merv Stauffer. »Ihr solltet ab jetzt Schichtarbeit machen und versuchen, ein bißchen Schlaf zu kriegen«, sagte Perot. »Ich habe keine Lust, lauter Zombies ans Telefon zu kriegen.«
»Yes, Sir!«
Perot befolgte seinen eigenen Rat und legte sich schlafen.
Um zwei Uhr morgens weckte ihn das Telefon. PatSculley rief vom Flughafen aus an; die technischen Mängel waren behoben.
Perot nahm sich ein Taxi zum Dulles-Flughafen. Die Fünfzig-Kilometer-Fahrt über vereiste Straßen war haarsträubend.
Das türkische Rettungsteam war jetzt beisammen: Perot; Pat Sculley und Jim Schwebach – das tödliche Duo; der junge Ron Davis; die Besatzung der 707; die beiden Spezialpiloten, Dick Douglas und Julian »Scratch« Kanauch. Aber das Flugzeug war nicht in Ordnung. Es fehlte noch ein Ersatzteil, das in Washington nicht zu bekommen war. Gary Fernandes – der EDS-Manager, der den Leasingvertrag für das Flugzeug ausgearbeitet hatte – war mit einem Mann befreundet, der bei einer Luftfahrtgesellschaft auf dem Flughafen La Guardia in New York für die Bodenwartung verantwortlich war. Fernandes rief seinen Freund an, der stand auf, besorgte das Ersatzteil und gab es einer Maschine nach Washington mit. In der Zwischenzeit legte sich Perot auf eine Bank in der Abflughalle und schlief.
Um sechs Uhr morgens gingen sie an Bord. Perot sah sich ungläubig in der Maschine um. Da gab es ein Schlafzimmer mit französischem Bett, drei Bars, eine ultramoderne Stereoanlage, einen Fernseher und ein Büro mit Telefon. Die Teppiche waren luxuriös, die Polster aus Wildleder und die Wände mit Samt verkleidet. »Sieht aus wie in einem persischen Bordell«, sagte Perot, der noch nie in einem persischen Bordell gewesen war.
Die Maschine hob ab. Dick Douglas und Scratch Kanauch rollten sich sofort zusammen und schliefen ein. Perot versuchte, es ihnen nachzutun; vor ihm lagen sechzehn Stunden Untätigkeit. Während das Flugzeug Kurs auf den Atlantik nahm, fragte er sich erneut, ob er das Richtige tat.
Wenn alles schiefging – das hieß, wenn jemand umkam –, würde die Öffentlichkeit die Unternehmung alsdas tollkühne Abenteuer eines Mannes betrachten, der glaubte, er lebe im Wilden Westen. Er konnte sich schon die Schlagzeilen vorstellen: IRANISCHES RETTUNGS-ABENTEUER VON TEXANISCHEM MILLIONÄR ENDET TÖDLICH ...
Angenommen, Coburn geht dabei drauf, dachte er: Was soll ich dann seiner Frau sagen? Liz dürfte schwerlich Verständnis dafür haben, daß ich für die Freiheit von zwei Männern das Leben von siebzehn anderen aufs Spiel gesetzt habe.
In seinem ganzen Leben hatte er noch nie gegen das Gesetz verstoßen, und jetzt war er in so viele illegale Aktivitäten verwickelt, daß er sie schon gar nicht mehr zählen konnte.
Er schob diese Gedanken von sich. Die Entscheidung war gefallen.
*
Am Dienstag kündigte die US-Botschaft an, die Evakuierungsflüge aus Teheran würden für alle Amerikaner am kommenden Wochenende beginnen.
Simons zog Coburn und Poché in eins der Schlafzimmer der Dvoranchik-Wohnung und schloß die Tür. »Damit lösen sich ein paar Probleme von selber«, sagte er. »Jetzt kann ich die Gruppe aufteilen. Wenn ein paar sich durch die Botschaft evakuieren lassen, bleiben immer noch genügend fähige Leute für die Strecke über Land.«
Coburn und Poché stimmten zu.
»Es ist klar, daß Paul
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