Auf den Schwingen des Adlers
einmal imstande, einen Trauerzug mit zwei Teilnehmern zu organisieren. Und genau das traf auf die Leute von der amerikanischen Botschaft zu. Die waren einfach inkompetent. Nach all den Fehlern, die sie sich geleistet haben, dachte Paul, werden sie doch wenigstens heute abend noch herkommen und uns hier rausholen.
Sie schlüpften in die Plastiklatschen und folgten dem Wachmann nach unten.
Die anderen Gefangenen machten Anstalten, sichschlafen zu legen und wickelten sich auf ihren Kojen in dünne Wolldecken. Der Zellenboß gab Paul und Bill mittels Zeichensprache zu verstehen, wo sie sich hinlegen konnten: Bill bekam eine Mittelkoje und Paul den Platz direkt unter ihm mit nichts als einer dünnen Matratze zwischen seinem Körper und dem Fußboden.
Sie legten sich hin. Das Licht blieb an, aber es war ohnehin so funzelig, daß es kaum eine Rolle spielte. Der Gestank fiel Paul nach einer Weile nicht mehr auf, doch an die Kälte konnte er sich nicht gewöhnen. Ohne Heizung, bei offener Lüftung und auf diesem Betonboden war es fast, als schliefe man unter freiem Himmel. Was für ein schreckliches Leben Verbrecher doch führen müssen, dachte Paul. Bin ich froh, daß ich kein Verbrecher bin. Eine Nacht wie diese wird mir voll und ganz genügen.
Ross Perot nahm ein Taxi vom Flughafen Dallas/Fort Worth zum EDS-Stammsitz in der Forest Lane 7171. Am Eingangstor ließ er das Seitenfenster herunter, damit die Werkschutzleute sein Gesicht sehen konnten, und lehnte sich dann wieder in die Polster zurück, während der Wagen die letzten fünfhundert Meter durch den Park zurücklegte. Das Grundstück hatte einst einem Country Club gehört, und dies war der Golfplatz gewesen. Schließlich tauchte das EDS-Gebäude auf, ein siebenstöckiges Bürohaus mit einem tornadosicher gebauten Blockhaus daneben, in dem die riesigen Computer samt den Zigtausenden von Metern an Magnetbändern untergebracht waren.
Perot bezahlte den Taxifahrer, betrat das Gebäude und nahm den Aufzug zum vierten Stock, wo er sich geradewegs in Gaydens Eckbüro begab.
Gayden saß am Schreibtisch. Trotz der Kleidungsvorschriften bei EDS schaffte Gayden es immer, irgendwie unordentlich auszusehen. Er hatte sein Jackett abgelegt. Die Krawatte hatte er gelockert, der Hemdkragen standoffen, sein Haar war ungekämmt, im Mundwinkel hing eine Zigarette. Als Perot hereinkam, erhob er sich.
»Wie geht es deiner Mutter, Ross?«
»Danke der Nachfrage, sie ist ganz munter.«
»Na fein.«
Perot setzte sich. »Also, wie sieht es mit Paul und Bill aus?«
Gayden griff zum Telefon und sagte: »Woll’n mal T. J. rüberholen.« Er drückte Marquez’ Nummer und sagte: »Ross ist da ... Jaa-aa. In mei’m Büro.« Er legte auf und sagte: »Kommt sofort. O Mann ... Ich hab’ im Außenministerium angerufen. Der Boß der Abteilung Iran ist ein gewisser Henry Precht. Mein Gott, das ist vielleicht ein Schlappschwanz. Zuerst wollte er mich nicht einmal zurückrufen. Schließlich hab’ ich zu seiner Sekretärin gesagt: Wenn er in zwanzig Minuten nicht bei mir angerufen hat, dann rufe ich bei CBS und ABC und NBC an, und spätestens in einer Stunde gibt Ross Perot eine Pressekonferenz und verkündet, daß zwei Amerikaner im Iran im Schlamassel sitzen und unser Land ihnen nicht helfen will. Fünf Minuten später rief er an.«
»Was hat er gesagt?«
Gayden seufzte. »Ross, die da oben gehen davon aus, daß Paul und Bill, wenn sie im Gefängnis sitzen, auch irgendwas angestellt haben müssen.«
»Aber was wollen sie eigentlich unternehmen? «
»Die Botschaft anrufen, dies und das nachprüfen, blablabla.«
»Diesem Precht werden wir Feuer unterm Hintern machen müssen«, sagte Perot wütend. »Tom Luce ist genau der Richtige dafür.«
Luce, ein dynamischer junger Rechtsanwalt, hatte in Dallas die Firma Hughes and Hill gegründet, die EDS in fast allen Rechtsangelegenheiten vertrat. Perot nahm ihn seit Jahren als Berater in Anspruch, hauptsächlich, weil er mit diesem jungen Mann gut auskam, der, wie er selbst,eine große Firma verlassen, sein eigenes Geschäft aufgemacht hatte und sich manchmal ganz schön nach der Decke strecken mußte, um die fälligen Rechnungen bezahlen zu können.
»Luce ist schon irgendwo im Haus«, sagte Gayden.
»Und was ist mit Tom Walter?«
»Der ist auch hier.«
Walter, ein hochgewachsener Mann aus Alabama mit einer Stimme wie Kaugummi, war der oberste Finanzchef bei EDS und wahrscheinlich, ging man vom Intelligenzquotienten aus, der gescheiteste
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