Auf den Schwingen des Adlers
verlangten, die Kaution für die beiden Amerikaner auf dreiundzwanzig Millionen Dollar – also fast das Doppelte – zu erhöhen, und zwar als Ausgleich für die Verluste, die dem Ministerium durch die Abschaltung der EDS-Computer entstanden seien.
Allmählich dämmerte es Paul, daß er an diesem Tag noch nicht entlassen werden würde.
Der Brief war Teil eines Komplotts: Dadgar hatte Dr. Houman geschickt ausmanövriert. Das Treffen war eine reine Farce.
Paul war außer sich vor Wut. Nachdem der Brief verlesen worden war, wandte er sich an die Dolmetscherin: »Jetztrede ich«, sagte er, »und Sie übersetzen gefälligst jedes Wort. Ist das klar?« Auf Höflichkeitsfloskeln gegenüber diesem Halunken kann ich jetzt verzichten, dachte er.
»Selbstverständlich«, antwortete Mrs. Nurbasch.
Paul sprach langsam und deutlich: »Sie halten mich jetzt seit vierzehn Tagen im Gefängnis fest. Ich bin nicht vor Gericht gestellt worden. Es ist keinerlei Anklage gegen mich erhoben worden. Sie haben bisher auch nicht den geringsten Beweis dafür erbracht, daß ich in irgendein Verbrechen verwickelt war. Sie haben noch nicht einmal ausgeführt, welches Verbrechen mir vorgeworfen wird. Sind Sie eigentlich stolz auf die iranische Gerechtigkeit?«
Zu Pauls Überraschung schien das Eis in Dadgars Blick zu schmelzen. »Es tut mir leid«, sagte der Staatsanwalt, »daß Sie für die Fehler Ihrer Firma büßen müssen ...«
»Nein, nein, nein,« erwiderte Paul emphatisch. »Ich bin die Firma und ich trage die Verantwortung. Wenn die Firma Fehler macht, muß ich dafür geradestehen. Aber wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, sondern in Wirklichkeit sogar viel mehr getan, als wir nach unseren Vereinbarungen hätten tun müssen. Und der Erfolg ist nicht ausgeblieben. Unsere Datenverarbeitungsanlage gibt jetzt Versicherungskarten aus. Sie registriert die Summe der Einlagen auf dem Konto des Gesundheitsministeriums. Jeden Morgen erstellt sie eine Zusammenfassung der am Tag zuvor eingereichten Anträge auf Kostenerstattung. Außerdem druckt sie die Gehaltslisten für das Gesundheits- und Sozialministerium. Warum gehen Sie nicht ins Ministerium und sehen sich die Ausdrucke an?«
Dadgar wollte etwas sagen, aber Paul ließ ihn nicht zu Worte kommen. »Moment noch! Wir können jederzeit beweisen, daß EDS den Vertrag erfüllt hat. Ebenso leicht ist festzustellen, daß das Ministerium seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es hat sechs Monate lang keine Rechnung bezahlt und schuldet uns inzwischen so um die zehn Millionen Dollar. Und warum ist EDS nichtbezahlt worden? Weil das Ministerium kein Geld hat. Und warum hat es keins? Wir wissen beide, daß das Ministerium seinen gesamten Etat in den ersten sieben Monaten des laufenden Haushaltsjahres ausgegeben hat und die Regierung nicht über die Mittel verfügt, ihn aufzustokken. Ich frage mich, ob in manchen Abteilungen nicht eine gehörige Portion Inkompetenz herrscht. Was tun eigentlich diese Leute, die ihr Budget derartig überziehen? Vielleicht suchen sie nach Ausreden? Vielleicht suchen sie jemanden, dem sie die Schuld an der Misere zuschieben können, einen Sündenbock sozusagen? Und da kommt es ihnen natürlich gerade recht, daß es da EDS gibt, ein kapitalistisches Unternehmen aus Amerika, das bei ihnen im Haus sitzt und direkt mit ihnen zusammenarbeitet. In der gegenwärtigen politischen Atmosphäre gibbern die Leute ja geradezu danach, daß man ihnen Schauermärchen über die Bosheit der Amerikaner erzählt, und sind natürlich sehr schnell bereit zu glauben, daß wir den Iran in jeder Hinsicht hintergehen. Aber Sie, Mr. Dadgar, Sie sind doch angeblich ein Mann, dessen Aufgabe es ist, dem Recht zur Geltung zu verhelfen. Von Ihnen erwartet man nicht, so einfach zu glauben, daß die Amerikaner an allem schuld sind – es sei denn Sie haben Beweise. Von Ihnen erwartet man vielmehr, daß Sie die Wahrheit herausfinden, falls ich über die Rolle des Untersuchungsrichters richtig informiert bin. Meinen Sie nicht, daß Sie jetzt endlich einmal der Frage nachgehen sollten, warum man gegen mich und meine Firma falsche Beschuldigungen in die Welt setzt? Und daß es an der Zeit wäre, endlich auch einmal in diesem verdammten Ministerium Untersuchungen anzustellen?«
Mrs. Nurbasch übersetzte, und Dadgars Miene gefror wieder zu Eis. Er sagte etwas auf Farsi. Die Dolmetscherin wandte sich an Paul: »Er möchte jetzt den anderen sprechen.«
Paul starrte sie an. Ich hätte mir meine
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