Auf den Schwingen des Adlers
Gesicht.
Coburn schüttelte beiden herzlich die Hände.
»Junge, Junge«, sagte Paul, »ich kann’s kaum glauben.«
»Wie geht’s meiner Frau?« fragte Bill.
»Emily geht’s gut und Ruthie auch«, erwiderte Coburn.
Madjid begann mit dem Oberst und dem Lauscher eine lautstarke Unterhaltung auf Farsi. Eifrig gestikulierend erzählte er ihnen eine offenbar sehr verwickelte Geschichte. Rich Gallagher unterhielt sich mit Bill, während Coburn sich mit Paul zusammensetzte.
Simons hatte Coburn beauftragt, Paul über die tägliche Routine im Gefängnis auszufragen und sich mit ihm über den Plan zu ihrer Befreiung abzustimmen. Sie hatten sich für Paul entschieden, weil Coburn der Ansicht war, er sei der Beherztere von beiden.
»Falls du es nicht schon erraten hast«, begann Coburn, »wir wollen euch hier rausholen, wenn nötig mit Gewalt.«
»Das hab’ ich mir schon gedacht«, sagte Paul. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
»Warum?«
»Es könnte Verletzte geben.«
»Hör zu, Ross hat so ziemlich den besten Mann der Welt dafür gewinnen können, und wir haben carte blanche ... «
»Ich weiß trotzdem nicht so recht.«
»Du wirst auch gar nicht um deine Erlaubnis gefragt, Paul.«
Paul lächelte. »Okay«
»Und jetzt brauch’ ich ein paar Informationen. Wo dreht ihr eure Runden?«
»Hier im Hof.«
»Wann?«
»Jeden Donnerstag.«
»Wie lange seid ihr immer draußen?«
»Eine Stunde ungefähr.«
»Und zu welcher Tageszeit?«
»Das ist unterschiedlich.«
»Mist.« Coburn gab sich Mühe, einen entspannten Eindruck zu machen, vermied es, seine Stimme auffallend zu senken oder ständig den Kopf zu drehen, als ob er sich vergewissern wolle, daß niemand zuhörte. Die Sache mußte aussehen wie ein ganz normaler Besuch von Freunden.
»Wie viele Aufseher gibt es hier im Gefängnis?«
»Zirka zwanzig.«
»Alle uniformiert und bewaffnet?«
»Alle sind uniformiert, einige aber auch mit Handfeuerwaffen ausgerüstet.«
»Keine Gewehre?«
»Nun ja ... von den hier arbeitenden Wärtern hat keiner ein Gewehr, aber ... Schau, unsere Zelle hat ein Fenster, das direkt auf den Hof hinaus geht, und jeden Morgen taucht da ein Trupp von etwa zwanzig anderen Aufsehern auf, so ’ne Art Elitekorps, sozusagen. Die haben Gewehre und tragen glänzende Helme. Sie halten hier ihren Morgenappell ab und lassen sich für den Rest des Tages nicht mehr blicken – wo sie hingehen, weiß ich nicht.«
»Versuch es herauszufinden.«
»Mach’ ich.«
»Wo ist eure Zelle?«
»Wenn du hier rauskommst, stehst du mehr oder weniger direkt gegenüber von unserem Fenster. Wenn du die Fenster von rechts nach links abzählst, ist es das dritte. Aber sie schließen die Läden, wenn Besucher da sind – damit wir keine Frauen reinkommen sehen, sagen sie.«
Coburn nickte und versuchte, sich alles zu merken. »Jetzt habt ihr zweierlei zu tun«, sagte er. »Erstens: eine Übersicht über das Gefängnis mit möglichst genauen Maßangaben. Ich komme wieder und hol’ sie mir, damit wir einen Plan zeichnen können. Zweitens: Ihr müßt euch fit halten. Macht jeden Tag irgendwelche Übungen. Ihr müßt in Höchstform sein.«
»Geht in Ordnung.«
»Und jetzt muß ich noch wissen, wie euer Tag abläuft.«
»Um sechs werden wir geweckt«, begann Paul.
In dem Bewußtsein, daß er Simons genauen Bericht zu erstatten hatte, konzentrierte sich Coburn auf jede Einzelheit, wobei ihn ständig der Gedanke quälte: »Wenn wir nicht einmal wissen, zu welcher Tageszeit sie in den Hof geführt werden – wie, zum Teufel, sollen wir dann herausfinden, wann wir über die Mauer sollen?«
*
»Die Lösung heißt Besuchszeit«, sagte Simons.
»Inwiefern?« fragte Coburn.
»Das ist der einzige Zeitpunkt, den wir vorhersehen und bei dem wir sicher sein können, daß sie außerhalb des eigentlichen Gefängnisblocks zu erwischen sind.«
Coburn nickte. Sie saßen in Keane Taylors Wohnzimmer, einem großen Raum mit Perserteppich, und hatten ihre Stühle um einen Kaffeetisch mitten im Zimmer gruppiert. Neben Simons Stuhl sammelte sich Zigarrenasche zu einem unübersehbaren Haufen auf dem Teppich. Taylor würde toben.
Coburn fühlte sich ausgelaugt. Von Simons ausgequetscht zu werden, war viel anstrengender, als er es sich vorgestellt hatte. Wenn er meinte, er hätte nun alles gesagt, fielen Simons noch mehr Fragen ein. Wenn Coburn sich nicht gleich an etwas erinnern konnte, ließ der Oberst ihn nachdenken, bis es ihm wieder einfiel. Simons zog
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