Auf den Schwingen des Adlers
Alternative. Zumindest reden wir jetzt nicht mehr um den heißen Brei herum.
Er entschied sich für Offenheit. »Selbstverständlich kommen Neuverhandlungen erst dann in Frage, wenn Chiapparone und Gaylord wieder auf freiem Fuß sind.«
»Wenn Sie sich zu Neuverhandlungen auf Treu und Glauben bereit erklären, wird das Ministerium mich anrufen. Es kann dann gut sein, daß die Vorwürfe gegen Chiapparone und Gaylord modifiziert werden. Und es kann dann durchaus sein, daß die Kaution herabgesetzt wird und daß Chiapparone und Gaylord sogar auf Ehrenwort entlassen werden.«
Klarer hätte er sich nicht ausdrücken können, dachte Howell. Am besten, wir setzen uns sofort mit dem Gesundheitsminister in Verbindung.
Seit der Einstellung der Zahlungen hatten zwei Regierungswechsel stattgefunden. Dr. Scheikholeslamizadeh, der jetzt im Gefängnis saß, war durch einen General ersetzt worden, und dieser dann unter Bakhtiar durch einen neuen Gesundheitsminister. Howell kannte ihn nicht. Bin gespannt, mit wem wir es da zu tun bekommen, dachte er.
*
»Mr. Young von der amerikanischen Firma EDS ist am Telefon, Herr Minister«, sagte die Sekretärin.
Dr. Razmara holte tief Luft. »Sagen Sie dem Herrn, amerikanische Geschäftsleute können nicht mehr einfach zum Telefon greifen und Minister der iranischen Regierung anrufen, und dann auch noch mit uns umspringen, als seien wir ihre Angestellten«, sagte er und hob die Stimme. »Diese Zeiten sind vorbei.«
Dann erbat er sich die EDS-Akte.
Manuchehr Razmara war über Weihnachten in Paris gewesen. Frankreich war seine zweite Heimat, dort war er ausgebildet worden – er war Kardiologe – und hatte eine Französin geheiratet; die französische Sprache beherrschte er perfekt. Er war Mitglied der Nationalen Iranischen Ärztevereinigung und ein Freund Schahpur Bakhtiars. Als dieser Premierminister wurde, hatte er seinen Freund Razmara in Paris angerufen und ihn gebeten, so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren, um das Amt des Gesundheitsministers zu übernehmen.
Dr. Emrani, der stellvertretende Minister und in dieser Eigenschaft auch für die Sozialversicherung zuständig, händigte ihm die EDS-Akte aus. Emrani hatte beide Regierungswechsel unbeschadet überstanden und war schon mit von der Partie gewesen, als die Schwierigkeiten begannen.
Razmara studierte die Akte und wurde zusehends wütender. In seinen Augen war das EDS-Projekt glatter Wahnsinn. Laut Vertrag lag der Grundpreis bei 48 Millionen Dollar und sah Preisangleichungen bis zu einer Gesamthöhe von 90 Millionen Dollar vor. Razmara mußte daran denken, daß im Iran zwölftausend Ärzte eine Bevölkerung von zweiunddreißig Millionen Menschen zu versorgen hatten und daß noch immer vierundsechzigtausend Dörfer nicht an die Wasserversorgung angeschlossen waren. Er kam zu dem Schluß, daß die Unterzeichner des Vertrags mit EDS entweder Idioten oder Verräter oder beides zugleich sein mußten. Wie konnten sie es verantworten, Millionen für Computer aus dem Fenster zu werfen, wenn es dem Volk noch immer an den simpelsten sanitären Grundeinrichtungen – zum Beispiel sauberes Wasser – fehlte? Es gab nur eine Erklärung: Sie waren bestochen worden.
Nun ja, sie würden dafür büßen. Emrani hatte dieses Dossier für das Sondergericht zusammengestellt, das korrupten Beamten den Prozeß machte. Drei von ihnen saßen schon: außer Dr. Scheikholeslamizadeh zwei seiner stellvertretenden Minister, Reza Neghabat und Nili Arame. So gehörte es sich auch. Die Schuld an dem Schlamassel, in dem sie saßen, war wohl in erster Linie bei Iranern zu suchen. Auf der anderen Seite waren aber auch die Amerikaner nicht schuldlos. Die amerikanischen Geschäftsleute und ihre Regierung hatten den Schah in seinen irrsinnigen Plänen noch bestärkt und dabei ihren Profit gemacht; das mußten sie jetzt büßen. Außerdem hatte sich den Unterlagen zufolge EDS als geradezu unglaublich inkompetent erwiesen: Die Computer arbeiteten – nach zweieinhalb Jahren – immer noch nicht, während gleichzeitig Emranis Abteilung durch die Automatisierung so durcheinandergewirbelt war, daß auch das alte System nicht mehr funktionierte. Das Ergebnis war, daß Emrani keinen Überblick mehr über die Ausgaben seiner Abteilung hatte. Und daswiederum, so stellte es das Dossier dar, war einer der Hauptgründe für die Überziehung des Etats.
Razmara las, daß die US-Botschaft mehrmals gegen die Festnahme zweier Amerikaner namens Chiapparone und Gaylord
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