Auf den Schwingen des Adlers
zu verwirren.
Auf Besuche freute er sich, wie alle Gefangenen auf der Welt, wie ein Kind auf Weihnachten. Die Kollegen von EDS brachten anständiges Essen, warme Kleidung, Bücher und Post von zu Hause mit. Einmal hatte Keane Taylor auch ein Foto dabei, das Christopher, Bills sechsjährigen Sohn, vor dem Weihnachtsbaum zeigte. Das Bild des Kleinen gab Bill Kraft; es war eine nachhaltige Erinnerung an das, worauf er all seine Hoffnungen konzentrieren mußte, und bestärkte ihn in seiner Entschlossenheit, durchzuhalten und nicht zu verzweifeln.
Bill schrieb Briefe an Emily und gab sie Keane, der sie ihr telefonisch übermittelte. Bill kannte Keane Taylor seitzehn Jahren, und sie standen einander recht nahe. Bill wußte, daß Keane längst nicht so unsensibel war, wie man seinem Ruf nach vermuten mußte. Dennoch berührte es ihn peinlich, wenn er in seinen Briefen »Ich liebe Dich« schrieb und dabei daran dachte, daß Keane es lesen würde. Er überwand diesen Moment jedoch, da der Wunsch, Emily und die Kinder seiner Liebe zu versichern, sehr stark war und er nicht wußte, ob er je wieder dazu in der Lage sein würde, es ihnen persönlich zu sagen. Seine Briefe erinnerten an diejenigen eines Piloten am Vorabend einer gefährlichen Mission.
Das schönste Geschenk, das ihm die Besucher mitbringen konnten, waren neue Nachrichten. Die immer viel zu kurzen Treffen in dem flachen Gebäude auf der anderen Seite des Hofes vergingen über Gesprächen, die sich um die verschiedenen Bemühungen drehten, die im Gange waren, um Paul und ihn freizubekommen. Es schien Bill, als sei ein entscheidender Faktor die Zeit. Früher oder später mußte einer der Vorstöße zum Erfolg führen. Unglücklicherweise war es jedoch so, daß es mit dem Iran von Tag zu Tag weiter bergab ging. Die revolutionären Kräfte gewannen mehr und mehr Einfluß. Die Frage war, ob es EDS gelingen würde, sie herauszuholen, bevor das ganze Land in Flammen stand. Für die Kollegen wurde es zunehmend gefährlicher, in den südlichen Teil der Stadt zu fahren, in dem das Gefängnis lag. Paul und Bill wußten nie, wann der nächste Besucher kommen oder ob es überhaupt einen nächsten Besucher geben würde. Es konnte ja sein, daß man die EDS-Männer gegen ihren Willen zwang, das Land zu verlassen, um ihr eigenes Leben zu retten. Bill entsann sich des amerikanischen Rückzugs aus Vietnam, bei dem die letzten Botschaftsangehörigen auf die Dächer geflüchtet und dort von Hubschraubern aufgenommen worden waren; er konnte sich durchaus vorstellen, daß sich die gleiche Szene in Teheran wiederholte.
Gelegentlich wurde er durch den Besuch eines Botschaftsangehörigen ermutigt. Auch die riskierten mit ihrem Kommen einiges, aber sie kamen nie mit konkreten Nachrichten, und Bill kam zu dem Schluß, das Außenministerium sei einfach unfähig.
Die Besuche von Dr. Houman, ihrem iranischen Anwalt, waren anfangs höchst vielversprechend gewesen, doch dann fand Bill heraus, daß Houman in typisch iranischer Manier viel versprach und wenig hielt.
Der Gedanke an die Kaution war einfach niederschmetternd. Kein Mensch auf der Welt hatte jemals ein derart hohes Lösegeld gezahlt. Kein Mensch würde es für ihn und Paul bezahlen. Zu den Erfahrungen, die Bill Gaylord während der Haft machte, gehörte auch eine Art Lektion über die Grundwerte des Lebens. Bill erkannte, daß er durchaus ohne sein schönes Haus, seine Autos, ohne lukullische Genüsse und saubere Kleidung existieren konnte. Und es wurde ihm klar, daß das einzig Wichtige in seinem Leben seine Familie war. Coburns Besuch hatte ihn ein wenig aufgemuntert. Aber am Tag darauf, es war der sechzehnte Januar, gab es eine schlechte Nachricht: Der Schah verließ den Iran.
Ausnahmsweise war der Fernseher in der Halle schon am Nachmittag eingeschaltet, und Paul und Bill verfolgten gemeinsam mit den anderen Gefangenen das kurze Zeremoniell im kaiserlichen Pavillon auf dem Flughafen Mehrabad. Da war der Schah mit seiner Frau, drei ihrer vier Kinder, seine Schwiegermutter und zahlreichen Höflingen. Zum Abschied waren Premierminister Schahpur Bakhtiar und viele Generäle erschienen. Bakhtiar küßte dem Schah die Hand, und die kaiserliche Gesellschaft begab sich zum Flugzeug.
Die verhafteten Minister und Ministerialbeamten bliesen Trübsal: Die meisten von ihnen waren auf die eine oder andere Weise mit der kaiserlichen Familie oder ihrer unmittelbaren Umgebung befreundet gewesen. Nunwurden sie von ihrem Schutzherrn verlassen,
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