Auf Den Schwingen Des Boesen
benahmen sich Menschen gegenüber distanziert, als hielten sie sich für etwas Besseres. Oder sie waren wie Will, der sich in Gesellschaft von Menschen wie ein Außenseiter vorkam. Selbst Nathaniel versuchte nicht, sich mit Menschen anzufreunden – abgesehen von Lauren, die er jedoch unter ganz besonderen Umständen kennengelernt hatte.
»Sag mal ehrlich«, sagte Kate und berührte seine Schulter. »Woher hast du diese Narbe?«
Er lächelte, aber ich merkte, dass er todernst war. »Ich hab’s dir erzählt. Sie stammt von einem Überfall. Der Typ hatte ein irre langes Messer.«
Hinter ihrem Lächeln sah ich Verwirrung. »Aber es sieht aus wie eine Brandnarbe.«
»Ich lüge nicht.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, als sie mich bemerkten. »Ihr zwei habt euch wohl gesucht und gefunden.«
Beim Anblick meiner finsteren Miene gab Kate mir einen Kuss auf die Wange und strich mir übers Haar. »Marcus hat mir gerade von Spanien erzählt. Lass uns doch nach dem Highschool-Abschluss eine Rucksacktour durch Europa machen. Wär’ das nicht toll?«
Das wäre es, falls ich lange genug überlebte, um mein Zeugnis entgegenzunehmen. »Gute Idee, aber du kriegst mich in keine dieser Jugendherbergen oder Rucksackhotels. Ich habe diese Hostelfilme gesehen.«
Marcus lachte. »Das war doch alles erfunden, Ellie. Da kann man prima übernachten und Leute aus allen Teilen der Welt kennenlernen.«
»Ja, ja«, sagte ich sarkastisch. »Das glaube ich dir.«
Ich spürte hinter mir eine Gestalt und wusste sofort, dass es Will sein musste.
»Und habt ihr zwei euch endlich zusammengerauft?«, fragte er mich und Marcus.
»Sie wollte mich kastrieren«, sagte Marcus.
»Ja, ich hab gedroht, ihm die Eier abzureißen.«
Will blinzelte und erstarrte ein wenig. »Oh.«
»Das ist nicht nett, Ell«, schimpfte Kate. »Jungs brauchen die Dinger doch.« Damit hakte sie sich bei Marcus ein. »Lass uns feiern.«
Beim Verlassen der Küche schenkte Kate mir ein aufmunterndes Lächeln, aber ich konnte mich nicht entspannen. Mir war einfach nicht wohl bei der ganzen Sache.
»Hey«, sagte Will lächelnd und rieb mir beruhigend die Schulter. »Alles wird gut. Marcus wird niemandem ein Haar krümmen, am allerwenigsten Kate.«
»Was will er von ihr?«, fragte ich misstrauisch.
»Nun, ja, er will einfach ein bisschen Spaß haben.«
»Spaß könnte er auch bei einer Runde Poolbillard mit den Jungs haben.«
Er starrte blicklos in die Menge. »Marcus hat eine Schwäche für Mädchen, besonders für menschliche Mädchen. Das ist nicht ungewöhnlich für unseresgleichen. Menschenmädchen sind anders als Vir-Mädchen.«
»Dann muss er sich ein anderes Mädchen zum Gernhaben suchen«, schnaubte ich. »Jedenfalls nicht meine beste Freundin.« Ich dachte über Wills Worte nach und hoffte, dass er die Vorliebe vieler Reaper für Menschenmädchen nicht teilte.
Will richtete den Blick wieder auf mich. »Mach dir keine Sorgen, Ellie. Er behandelt sie gut und ist schnell wieder verschwunden.«
»Wenn er sie satthat und ihnen das Herz gebrochen hat?«
»Nein, er hält sich immer an eine bestimmte Sorte Mädchen und sucht sich welche, die auch nur ein bisschen Spaß möchten. Kate ist ein kluges Ding. Sie weiß schon, wie sie Ärger aus dem Weg geht.«
»Ja, aber jetzt hat der Ärger persönlich ein Auge auf sie geworfen.«
Er hob mein Kinn an. »Du musst sie ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen, und Marcus ebenfalls. Er ist manchmal ein bisschen wild, aber das ist einfach seine Natur. Er musste nie erwachsen werden und über Konsequenzen nachdenken, so wie Menschen es tun müssen. Für ihn ist alles ein Spiel. Er liebt die Herausforderung.«
»Aber du bist nicht so. Oder?«
»Marcus trägt keine Verantwortung, so wie ich. Wenn er jemanden wie dich hätte, wäre er vielleicht ganz anders.«
Ich sah ihn argwöhnisch an. »Was soll das denn heißen?«
Ein wunderschönes und warmherziges Lächeln trat auf seine Lippen. »Du weißt, was ich damit sagen will.« Er beugte sich herunter und küsste mich auf die Wange. Seine Lippen verweilten nur wenige Sekunden, doch es reichte aus, um meinen Puls in die Höhe zu jagen. Er würde mich noch in den Wahnsinn treiben.
»Komm«, sagte er und nahm meine Hand. »Ich möchte dich noch mehr zum Lächeln bringen. Du wirst schon sehen. Marcus wird Kate nicht wehtun, du kannst ihm vertrauen. Lass uns zu deinen Freunden gehen.«
»Okay.« Ich folgte ihm aus der Küche hinaus und drückte seine Hand ein
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