Auf Den Schwingen Des Boesen
ist ja nicht weit, und heute am Sonntag ist bestimmt nicht viel Verkehr.«
Er sah mich prüfend an und streichelte meine Wange. »Ich hab’s gestern Nacht ernst gemeint. Du warst wirklich einmalig.«
»Danke, du aber auch.«
Er schaute kurz auf meine Lippen. Dann trat er zurück und hielt mir die Autotür auf. »Ruh dich aus.«
Ich setzte mich, warf die Tasche auf den Beifahrersitz und legte den Sicherheitsgurt an. »Du musst dich aber auch ausruhen. Versprichst du mir das?«
Er grinste. »Ich bin unbesiegbar.«
Ich verdrehte die Augen. »Mit solchen Gedanken bringst du dich noch um.«
Er lachte leise. »Ich wünsch dir einen schönen Tag, Ellie.«
Mit einem Lächeln auf den Lippen fuhr ich davon.
Ich stahl mich durch die Hintertür ins Haus und schlich mich nach oben in mein Zimmer, ohne meinen Eltern zu begegnen. Mit einem erleichterten Seufzer warf ich meine Sachen aufs Bett. In diesem Moment hörte ich eilige Schritte auf der Treppe. Ehe ich mich versah, wurde die Tür aufgerissen, und meine Mom kam aufgeregt auf mich zugestürmt.
Oh, nein.
»Richard!«, rief sie atemlos. »Sie ist zurück!«
Mein Herz geriet ins Stocken, und meine Kehle war wie zugeschnürt. »Mom, ich …«
Sie schlang die Arme um mich und zog mich ganz fest an sich. Dann packte sie meine Schultern und starrte mir in die Augen. »Ellie! Wo bist du gewesen? Als du schlafen gegangen bist, wollte ich noch kurz nach dir sehen. Du bist die ganze Nacht nicht nach Haus gekommen! Du ahnst ja nicht, welche Sorgen dein Vater und …«
»Du dreckige kleine Schlampe«, zischte mein Vater, als er auf mich zugestampft kam.
Meine Mom und ich starrten ihn schockiert an. Ich konnte nicht fassen, was er da gerade zu mir gesagt hatte.
»Richard!« Moms Stimme holte mich in die Realität zurück.
»Ich kann das erklären, Dad …«
»Anscheinend weißt du, wo sie sich rumgetrieben hat, Diane«, sagte er. »Es wird Zeit, dass du der Wahrheit ins Gesicht siehst.«
Eine Sekunde lang dachte ich, er wüsste wirklich, wo ich gewesen war. Aber das war unmöglich. »Wovon redest du?«
Blitzschnell stand er vor mir, packte mich am Kinn und riss meinen Kopf zur Seite. »Ich wundere mich, dass du keine Knutschflecken hast.«
Mir war hundeelend. Ich riss mich von ihm los und rieb mir das schmerzende Kinn. Angeekelt starrte ich ihn an. »Was ist denn los mit dir?«
»Das geht zu weit, Richard!«, schrie meine Mom und schob sich zwischen uns. Sie stieß ihn gegen die Brust und zwang ihn zurückzuweichen.
»Wo hätte sie denn sonst die ganze Nacht sein sollen?«, brüllte er ihr ins Gesicht. »Es ist doch klar, dass sie mit diesem Jungen zusammen war!«
Das stimmte zwar in gewisser Weise, doch ich war nicht aus den Gründen mit einem Jungen zusammen, die er mir unterstellte.
Meine Mom sah mich an. »Ist das wahr? Warst du mit Will zusammen? Ich dachte, es wäre aus mit diesem Jungen.«
Mit diesem Jungen. Die Worte klangen so herablassend und erniedrigend und hinterließen einen üblen Nachgeschmack. Wenn sie nur wüsste, wenn sie beide nur ahnten, was dieser Junge in der vergangenen Nacht für mich getan hatte und in tausend Nächten davor. Ich hatte all die Lügen und Geheimnisse so satt. Das Ganze brachte mich schier um. Ich holte tief Luft. »Ja, ich war bei Will.«
Meine Mom presste die Lippen zusammen, doch ihr Blick war verständnisvoll. Mein Dad stand hinter ihr und lachte.
»Du kleines Flittchen !«
Bevor ich reagieren konnte, wirbelte meine Mom herum und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, die seinen Kopf zur Seite schnellen ließ. Jetzt lachte er nicht mehr.
»Was fällt dir ein?«, kreischte sie. »So mit deinem Kind zu reden! Tu das nie, nie wieder! «
Ich hätte etwas sagen müssen, aber ich konnte nicht sprechen. Ich bekam immer noch keine Luft. Ich musste mich verteidigen, mich meinem Vater gegenüber behaupten, aber ich hatte Angst vor ihm, weil er mein Vater war. Nach endlosen Sekunden fand ich meine Stimme wieder. »Raus hier, du Schwein«, krächzte ich. »Raus aus meinem Zimmer und aus meinem Leben! Ich will dich nie wieder sehen.«
In seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Boshaftigkeit, Zorn und Belustigung. »Toller Vorschlag! Aber wie stellst du dir das vor? Das ist immer noch mein Haus.«
»Dann geh ich eben.« Meine Stimme war entschlossen, zitterte jedoch ein wenig. »Ich halte es nicht länger aus. Ich bin fertig mit dir.«
Er trat ganz nah an mich heran und sah mir ins Gesicht. Ich konnte die Hitze
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