Auf Den Schwingen Des Boesen
spüren, die von seinem Körper ausstrahlte, und musste würgen. »Du bist fertig mit mir ?«
Ich war körperlich und psychisch zu erschöpft, um diese Auseinandersetzung fortzuführen. Angeekelt verzog ich das Gesicht. »Ich kann dich nicht mehr sehen. Geh mir aus den Augen, sonst schlag ich dir die Fresse ein.«
Etwas Dunkles zuckte in seinem Blick. Mit einer blitzartigen Bewegung kam er auf mich zugesprungen. Schockiert wich ich zur Seite, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Fingernägel mir den Hals zerkratzten. Mit einem gellenden Schrei warf meine Mom sich zwischen uns und hämmerte mit den Fäusten auf seine Brust ein.
»Bist du wahnsinnig geworden?«, schrie sie und drängte ihn zur Tür. »Mach, dass du rauskommst! Raus hier! «
Mein Atem ging so flach und hechelnd, dass nicht genug Sauerstoff in meine Lunge gelangte, wodurch mir schwindelig und übel wurde. Er hatte mich körperlich angegriffen. Ich sah, wie meine Mom ihn aus dem Zimmer schubste und ihm die Tür vor der Nase zuknallte. Sie schrie ein letztes Mal auf, raffte ihren Bademantel zusammen und versuchte, ihren zitternden Körper unter Kontrolle zu bringen. Mir war ganz schwummerig, und ich konnte kaum fassen, was gerade passiert war.
Meine Mom sah mich an, das Gesicht rot und verquollen und starr vor Schreck. »Alles in Ordnung?«
Ich starrte auf die Tür hinter ihr. »Nein.«
»Ich werde ihn verlassen, meine Kleine«, flüsterte sie. »Noch heute sag ich ihm, dass ich die Scheidung will.«
Mein Herz sprang in tausend Stücke und jubilierte gleichzeitig. »Oh, Mom. Es tut mir so leid.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte diesen Schritt schon vor vielen Jahren tun sollen. Aber jetzt ist das Maß endgültig voll. Ich sage ihm, er soll seine Sachen packen und Ende des Monats ausziehen. Er muss gehen.«
Ich schluckte. »Ich bin stolz auf dich.«
»Er ist schon längst nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe«, sagte sie. »Und wenn er jetzt anfängt, dich körperlich anzugreifen, wüsste ich nicht, wieso ich noch länger seine Frau bleiben sollte. Schlimm genug, wenn er mich so behandelt, aber ich lasse nicht zu, dass er meine Tochter attackiert.«
Ich starrte sie an und konnte die Tragweite ihrer Worte kaum fassen. »Ich muss dir Hausarrest geben, Ellie«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Du hast dich aus dem Haus geschlichen und warst die ganze Nacht fort. Du hast nicht nur gegen unsere Regeln verstoßen, sondern dich auch noch in große Gefahr begeben. Ist dir denn nicht klar, was alles hätte passieren können?«
Ich verstand ihre Besorgnis. Jeden Tag verschwanden Mädchen, wurden bei Autounfällen verletzt oder von bösen Menschen entführt. Aber ich war nicht einfach nur ein Mädchen – ich hatte Verpflichtungen, die mich dazu zwangen, die Regeln zu brechen und meinen Selbsterhaltungstrieb zu ignorieren. Ich konnte meiner Mutter gestehen, dass ich mich die ganze Nacht mit Will herumgetrieben hatte, aber ich konnte ihr nicht gestehen, dass ich vom Dach eines hohen Gebäudes gesprungen und beinahe zu Tode gekommen wäre.
»Letzte Nacht hat es in der Innenstadt einen Tumult gegeben«, sagte sie mit bebender Stimme und ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. »Als ich heute Morgen die Berichte gesehen habe und du nicht zu Hause warst … Mein Gott, ich hatte noch nie solche Angst. Die Berichte sind sehr widersprüchlich. Manche sprechen von einem Terroranschlag. Ein paar Zeugen haben mit ihren Handys gefilmt oder fotografiert, aber die Bilder sind überbelichtet und konfus. Ich weiß nicht, was da wirklich los war. Manche Zeugenaussagen sind einfach unglaublich. Die Berichte laufen schon den ganzen Morgen im Fernsehen.«
Die Kehle war mir wie zugeschnürt, und das Blut rauschte in meinen Ohren. »Bestimmt gibt es eine harmlose Erklärung für alles.«
»Hör zu, Ellie«, fuhr meine Mom fort, »mitten in der Nacht abzuhauen war keine gute Idee. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass du dich mit ihm davongestohlen hast – soweit ich weiß. Zuerst trennst du dich von ihm, dann seid ihr wieder zusammen, dann wieder nicht und jetzt doch wieder. Im Herbst gehst du aufs College, und dann kann ich keine Regeln mehr für dich aufstellen. Aber nach all den Dingen, die du seit Beginn der zwölften Klasse so angestellt hast, frage ich mich, ob du reif für diese neue Freiheit bist und ob ich mich darauf verlassen kann, dass du die richtigen Entscheidungen triffst. Ich liebe dich. Du bist meine Tochter, und ich habe
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