Auf den Wogen des Glücks
Genevieve?« Dominiques Stimme klang, als wollte sie eigentlich gar nicht sprechen. »Sie war doch bestimmt traurig, als Sie Ihre eigenen Wege gingen.«
»Meine Gefühle für sie waren sehr tiefer Natur und gingen weit über das rein Körperliche hinaus. Man könnte fast sagen, ich hebte sie im Rahmen dessen, was möglich war, aber selbst damals schon vermutete ich, dass sie mich nur zu ihrem eigenen Vergnügen benutzte. Sie war nie auf die verheirateten Frauen eifersüchtig, mit denen ich es trieb, bis ich eines Tages einer Frau nachstellte, die sie seit längerem kannte, und die sie nicht ausstehen konnte. Von dem Tag an entwickelte sich ein gefährliches Spiel zwischen uns, eine Art Test, wer den stärkeren Willen hatte. Ich war wie besessen von diesem Kampf. Die Frau, um die es ging, war noch sehr jung, hatte blondes Haar und war mit einem Grafen verheiratet, den Genevieve einst geliebt hatte und den sie hatte heiraten wollen, hätte er sie nicht wegen ihrer niederen Herkunft verstoßen. Aber wie der Zufall es wollte, war dieser Graf ein sehr guter Freund von Winterthur, und da mir in meiner Sammlung noch eine Gräfin fehlte, musste ich sie wenigstens einmal gehabt haben. Genevieve drohte mir mit Rauswurf aus ihrem Haus, wenn ich mit der Gräfin das Lager teilte.«
»Das war eine Herausforderung, der Sie nicht widerstehen konnten, nicht wahr?«
»Mit achtzehn Jahren war ich wagemutiger und hatte mehr sexuelle Energie als zehn gestandene Männer zusammen. Ich stellte dieser Frau also nach, kostete den süßen Sieg, als sie sich mir schließlich hingab, brachte sie sogar so weit, dass sie sich umbringen wollte, als mein Interesse an ihr sichtlich verebbte.«
»Wie furchtbar!«
»Der Herzog forderte mich zu einem Duell heraus, um die Sache aus der Welt zu schaffen, aber noch bevor er seine Pistole abfeuern konnte, brach er tot auf dem Feld zusammen.«
»Dieser Skandal muss ganz London in Aufruhr versetzt haben. Hat man Sie ins Gefängnis gebracht?«
»Nein, nicht ganz. Jeder wusste natürlich, was passiert war, und der Gräfin blieb nichts anderes übrig, als sich ins Ausland abzusetzen. Mein Ruf als Schwerenöter erklomm neue Gipfel, aber statt mich vor die Tür zu setzen, kaufte Genevieve mir ein Anwesen auf dem Lande und eins in London, dazu neue Kleider, Diener, Pferde und Kutschen und forderte meine Loyalität als Gegenleistung. Eine Zeit lang tat ich wie geheißen, entzog mich dem Auge der Gesellschaft und wurde zum Kunstsammler und Experten für Raritäten.«
»Ich bin davon überzeugt, dass Sie sie dadurch sehr glücklich gemacht haben.«
»Am Anfang ja, aber das hielt natürlich nicht sehr lange an. Meine Launenhaftigkeit trieb mich irgendwann in die Arme einer blonden Admiralsgattin, woraufhin Genevieve mir ein Schiff schenkte. Das war der Moment, in dem ich meine Liebe für das Meer entdeckte. Nur wenige Monate später - ich war kaum einundzwanzig - starb Genevieve und hinterließ mir ein Vermögen.«
»Es scheint, als hätten Sie mehr erlebt, als so manch anderer gestandene Mann.«
»Ich würde eher sagen, ich hatte noch nicht einmal begonnen, richtig zu leben. Selbst heute - vor allem hier und jetzt - bekomme ich das Gefühl, noch nichts im Leben erreicht zu haben. Ich spüre die schwere Last der vergangenen Jahre und sehe nichts außer verbrannter Erde, die ich hinterlassen habe, wenn ich mich umblicke.«
Nicholas schaute direkt in die Sonnenstrahlen, die durch die Planken über ihm fielen. »Ich bin weder stolz auf die Person, die ich damals war, noch auf die vielen Dinge, die ich unternommen habe, um in aller Munde zu bleiben. Am allerwenigsten bin ich stolz darauf, den Mann gekannt zu haben, der meine Mutter und meinen Vater vertrieben hat und der sich mein Vormund schimpfte, weil seine Frau es so gewollt hatte. Stolz bringe ich nur meiner Arbeit, meinem Schiff und meiner Mannschaft entgegen. Machen Sie nicht den Fehler und unterschätzen Sie die Stärke meines Stolzes und was ich tun würde, um mein vergangenes Leben zu rächen, nur weil ich nichts anderes vorzuweisen habe.«
»Es käme mir nicht in den Sinn, Sie in irgendeiner Weise zu unterschätzen. Sie scheinen derjenige zu sein, der sich selber gehörig unterschätzt.«
»Sie täten besser daran, mich zu verabscheuen.« Er spürte, wie ihre Finger über seine verletzte Hand strichen und schloss die Augen. »Herrgott, ich brauche kein Mitleid.« Er stieß ihre Hände fort und machte einen Satz zurück, verlor sich in seiner
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