Auf den Wogen des Glücks
Wunsch, die Flucht zu ergreifen. Noch nie hatte er das Gefühl gemocht, sich überflüssig vorzukommen. Welche Bedeutung konnte das Katzenauge noch für jemanden haben, der hinter diesen ansehnlichen Wänden zu Hause war? Beim Anblick des prunkvollen Anwesens drängte sich ihm die Frage auf, ob den Bey der Verlust des Katzenauges - selbst wenn ein übler Schurke wie Ramzi es nun besaß - wirklich schmerzen konnte. So wie es schien, war Bey Hamoudas Existenz doch mehr als gesichert.
Der Wächter ließ sie in einer unbedachten Rotunde stehen, die von drei Seiten von wohl duftenden Gärten eingeschlossen war. Zur vierten Seite ging eine Flügeltür aus Gold ab. Von irgendwoher drang das Plätschern eines Brunnens an ihre Ohren. Eine kühle Brise brachte Nicholas' Tunika zum Flattern. Er wünschte sich, er könnte sich der Kluft entledigen. Unter einem Rundbogen aus Marmor, der in einen der Gärten führte, blieb er stehen, um den Wind besser auf seinem Gesicht und seinem fast nackten Oberkörper spüren zu können. Er beobachtete, wie Dominique mit zur Decke gestrecktem Gesicht auf und ab ging und die kunstvollen Fresken bewunderte. Er konnte sich nur ansatzweise vorstellen, wie heiß ihr wohl unter ihrer Kleidung sein musste, obwohl sie noch nicht ein Sterbenswörtchen darüber verloren hatte.
Nicholas faltete seine Hände hinter dem Rücken zusammen und schaute sie sich wieder einmal genau an. Stille umfing sie. Er räusperte sich, aber Dominique gab vor, ihn nicht gehört zu haben. Plötzlich machte sich Unmut in seiner Brust breit und verschlimmerte die Qualen seiner Seele noch. Nicht etwa, weil es letztendlich ihre kleine Rubinkatze gewesen war, die ihnen den Weg in den Palast geebnet hatte, sondern wegen all der törichten Worte, die er ihr im Rumpf der Mischief an den Kopf geworfen hatte und die er eigentlich nie hatte sagen wollen. Noch nie hatte es jemand geschafft, dass er sich wie ein kampfwütiger Schurke vorgekommen war. Wieso gelang es ausgerechnet ihr?
Nicholas fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, atmete tief ein, und als er sich seine Worte zurechtgelegt hatte, fiel ihm auf, wie selten er sich in seinem Leben entschuldigt hatte - die meisten Entschuldigungen waren an Dominiques Adresse gegangen. »Domi...«
Die goldenen Flügeltüren öffneten sich, und Nicholas verstummte. Zwei Eunuchen mit nackten Oberkörpern schritten vor einem großen, eleganten Araber her, der in weiße Kleider gehüllt war. Der Fremde blieb stehen und ließ seine Augen, denen scheinbar so leicht nichts entging, zuerst zu Nicholas, schließlich zu Dominique wandern.
»Hassan!«, rief Dominique erfreut aus, bevor sie sich ihrer Kleidung entledigte und in die ausgestreckten Arme des älteren Mannes lief.
Nicholas nickte, als ein Diener eine Schüssel Linsensuppe vor ihn auf den niedrigen Tisch stellte. Gemäß den arabischen Sitten saß er im Schneidersitz auf einem Seidenkissen, wobei seine Füße nicht zu sehen waren. Er nahm seinen Löffel auf, schaute jedoch durch ein Meer von vergoldeten Kerzenständern auf die andere Seite des Tisches an das Ende, wo Dominique saß. Sie schenkte sowohl ihren Tischnachbarn als auch den Dienern ein strahlendes Lächeln. Es war nicht weiter verwunderlich, dass ihr aufgrund der Juwelenkatze und der langjährigen Freundschaft zwischen ihrem Vater und dem Premierminister Hassan das besondere Vorrecht eingeräumt wurde, unverschleiert, ja sogar in den Kleidungsstücken, die sie an Bord getragen hatte - weißes Hemd, Seemannshosen und Stiefel - am Tisch des Bey zu dinieren. Ihr zum Zopf geflochtenes Haar reichte ihr wie immer bis zum Gesäß, aber ein paar haselnussbraune Strähnen hatten sich nicht fangen lassen und rahmten ihr Gesicht ein. Sie bestach durch ihre fröhliche und unerschütterlich charmante Art, und sah man einmal von der Schwester des Bey ab, war sie die einzige Frau am Tisch.
Nicholas lenkte seine Aufmerksamkeit auf Zainab, eine mollige, in lange Kleider gehüllte, verschleierte und verschmitzt dreinschauende Frau, die nach Nicholas' Geschmack - er hatte sie eine Weile beobachtet - zu viel aß, trank und kicherte. Noch schlimmer war jedoch die Tatsache, dass sie Dominique in ein Gespräch mit ihrem direkten Tischnachbarn verwickelt hatte, einem dunklen, kräftigen Mann mit großem Appetit, der ihnen als Erster Offizier des Bey und bedeutsamer Gast des Hauses vorgestellt worden war. Scheich Faroud trug einen weißen Mantel, den goldene Militärinsignien schmückten, und
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