Auf den Wogen des Glücks
einen Turban, dessen Stirnseite ein außergewöhnlich großer Smaragd zierte und unter dem seine dunklen, widerspenstigen Haare hervorlugten. Sein schwarzer Bart war genauso struppig. Er hatte breite Schultern, und seine kräftigen Hände machten den Eindruck, als könnten sie problemlos unreife Melonen zerquetschen. Bei fast jeder noch so nichtigen Bemerkung Dominiques lachte er endlos, wobei sein beträchtlicher Bauchumfang den Tisch zum Wackeln brachte. Nicholas fragte sich, welch unbeschwerter Unterhaltung sie sich um diese Uhrzeit hingaben. Dominique schlug sich tapfer, wenngleich ihr Arabisch nicht annähernd so fließend war, wie sie seinerzeit vorgegeben hatte. Ihr Blick ruhte auf Faroud, um jede Silbe seiner Rede aufzuschnappen und dann in herzhaftes Gelächter auszubrechen. Nicholas und Zainab tauschten kriegslüsterne Blicke aus. Es war unübersehbar, dass eine ausgeklügelte Verschwörung gegen Nicholas im Gange war. Er empfand es als schwierig, seine Aufmerksamkeit wieder den pressierenderen Angelegenheiten zuzuwenden.
»Wie lange schon ist der Bey erkrankt?«, fragte Nicholas schließlich den Premierminister Hassan, der zu seiner Rechten am Kopfende saß. Wären Hassan und Dominique nicht befreundet und hätte Dominiques Vater nicht bereits geschäftlich mit Hassan in Verbindung gestanden, so wäre ein derart hohes Maß an Vertrauen, wie es zwischen Nicholas und Hassan herrschte, nicht denkbar gewesen. Es hätte monatelanger Annäherungszeit bedurft.
»Er hütet bereits seit fünf Monaten das Bett«, antwortete Hassan leise mit gedämpfter Stimme, sodass nur Nicholas ihn hören konnte. »Sie können sich sicher denken, dass sich sein Zustand noch zusätzlich verschlechtert hat, nachdem er erfuhr, dass das Katzenauge geraubt worden war. Ich tue mein Bestes, die Zügel des Landes zu übernehmen, aber ich bin ein friedliebender Mann und verfüge weder über einen militärischen Hintergrund, noch teile ich die Blutrünstigkeit der arabischen Herrscher und Stammesoberhäupter, die sie in niemals enden wollende Kriege miteinander ziehen lässt, um begangene Verbrechen zu rächen. Es schmerzt mich, dass mein Land und mein Volk deshalb leiden mussten, aber ich fand Trost in dem Gedanken, das Katzenauge auf sicherem Wege von Tunis nach London zu wissen, weil es so außerhalb der Reichweite der abtrünnigen Stämme war, die mit diesem Pfand in der Hand den Bey stürzen wollten. Und jetzt sagen Sie, das Katzenauge sei bei Ramzi!«
Hassan schloss die Augen, als hätte er Schmerzen und schüttelte den Kopf. »Ya kh-Saa-ra ! Welch ein Unglück! Ich kann unmöglich den Bey davon in Kenntnis setzen. Wenn wir das Katzenauge nicht zurückbekommen, wird unser Königreich an Ramzi und seinen Stamm fallen. Seine Armee ist stark, und wenn er wirklich das Katzenauge in seiner Gewalt hält, sind wir so gut wie verloren.«
Farouds Lachen bohrte sich wie ein stumpfes Messer in Nicholas' Nervenkostüm. »Verzeihen Sie mir, wenn ich meine Zweifel äußere, dass ein Talisman die Macht hat, einer ganzen Nation und seiner Armee das Leben auszuhauchen«, warf Nicholas ein. »So stark kann keine Legende sein.«
Hassans Bewegungen erstarrten, als er gerade nach seinem Kelch greifen wollte. Er sprach mit tiefer und zugleich sanfter Stimme, aber sein Unterton jagte Nicholas einen eiskalten Schauer über den Rücken. »Das Katzenauge ist kein Talisman, Is-say-yid Hawksmoor, sondern ein Name, mit dem seit Jahrhunderten der älteste Sohn des regierenden Bey in Tunis bezeichnet wird. In diesem Falle handelt es sich bei dem Katzenauge um einen zwölfjährigen Jungen, dem Sohn des Bey, Diab. Er ist es, den Ramzi uns genommen hat, und ja, die Zukunft von Tunis, und unser aller Leben hängt von dem Schicksal des Jungen ab.«
Für einen Moment war Nicholas sprachlos. Er brachte keinen Laut heraus und musste nach Luft schnappen. Selbstverachtung und Unmut durchfluteten ihn. »Jetzt verstehe ich Ihre gewaltige Besorgnis, Hassan! Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was der Bey durchmachen muss. Hat er noch andere Söhne?«
»Leider nicht, seine anderen Kinder sind alles Mädchen. Dreizehn an der Zahl, und eine dümmer als die andere.« Hassan hob seinen Kelch und machte eine ruckartige Bewegung in Richtung Tischende. »Genau wie Zainab. Mir scheint, sie interessiert sich sehr für Dominique, so wie Faroud. Er ist noch unverheiratet. Es wäre eine Schande, wenn ein so kraftvoller Mann ohne hübsche junge Frau bliebe, die ihm Söhne
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