Auf den Wogen des Glücks
unsicher, wie damals, als er im zarten Alter von achtzehn Jahren sein Schiff direkt in die Admiralsflotte hatte laufen lassen. Und er wusste auch genau, woher dieses Gefühl rührte.
Dominique rieb sich die Augen, stieß sich mit dem Stuhl vom Tisch ab und stand langsam auf. Sie massierte den Rücken im Lendenbereich und versuchte, durch das Bullauge und den undurchdringlichen, dunkelgrauen Nebel etwas zu erkennen. Ihrem Gefühl nach musste es weit nach Mittag sein. Seit Stunden studierte sie die neuen Pläne ihrer Mischief, war aber der Lösung noch keinen Schritt näher gekommen.
»Verdammter Stevenanlauf«, murmelte sie vor sich hin, die Hände auf den Tisch gestützt auf über die Zeichnungen blickend. »Hobelt man ihn ab, muss der Ballast nicht erhöht werden wegen des zusätzlichen Gewichtes der Spiere, und auch das Schiff wird nicht langsamer sein. Aber wie viel muss ich denn nun genau weghobeln? Verdammt, wieso finde ich die richtige Antwort nicht?«
Zerstreuung. Sie brauchte jetzt dringend eine Ablenkung.
Nein, das brachte sie auch nicht weiter.
Aber wieso hatte sie bei jeder Wende, bei jedem Wellental, das die Mischief durchsegelte, das Gefühl, Hawksmoors Hände würden nicht nur auf dem Ruder, sondern auch auf ihr ruhen? Eine Einheit mit einem Schiff zu bilden war eine Sache, aber dies hier ging nun doch ein Stück zu weit.
Ihr Blick fiel zum wiederholten Male auf die Notizen, die auf die Ränder der Pläne gekritzelt waren. Hohe Unterhaltungskosten ... weniger Laderaum, ... höhere Geschwindigkeit... spitzer, größer, teurer, mehr Besatzung... Balance zu halten ist schwieriger...
Seit jener Nachricht, die Hawksmoor ihr in Cowes hatte überbringen lassen, kannte Dominique seine Handschrift. Der Unterschied war, dass die Worte, auf die sie nun schaute, aussahen, als habe er die Feder mit viel Druck aufgesetzt, vielleicht einige Zeit nachgedacht, bevor er angefangen hatte zu schreiben. Über einigen ihrer Ideen hatte sie monatelang gebrütet, jetzt begann sie sich zu fragen, ob die schnellere Geschwindigkeit des Schoners die gestiegene Belastung, der der Schiffskörper nun ausgesetzt war, die größere Mannschaft, die vonnöten war, der Verzicht auf die Ladefläche und die höheren Unterhaltungskosten all das wirklich rechtfertigten. Lag die Zukunft des Schiffswesens letztendlich vielleicht doch in der Dampftechnik?
Diese Zweifel plagten und schmerzten Dominique, denn ihre Gefühle Segelbooten gegenüber waren romantischer Natur. Sie schienen ihr aber lächerlich im Gegensatz zu dem, was Hawksmoor empfinden musste. Seine Gefühle schienen noch tiefer zu sein. Dominique hob den Kopf und schaute kurz nach draußen, bevor sie sich wieder Hawksmoors schriftlichen Überlegungen widmete. Diesmal mit weitaus kühlerem Kopf und schärferem Auge. Man hätte meinen können, ein jeder könnte so etwas schreiben, selbst einer dieser großmäuligen Verfechter der Dampfschiffe, aber Dominique hatte nicht mit eigenen Augen gesehen, mit eigenem Herzen gefühlt, wie Hawksmoor war, wenn er auf einem Segelschiff weilte, wie ihn der Atem des Meeres kraftvoll durchströmte, wie seine Hände liebevoll auf dem Ruder lagen, wie sehr auch er auf der Suche nach dem perfekten Segelschiff war. Und so las sie mehr aus seinen Worten.
Dieses starke Gefühl der Verbundenheit mit ihm.
»O Gott.« Sie zuckte zusammen, ballte die Fäuste und schloss fest die Augen. Nein, sie konnte unmöglich jemals wieder auf diese Worte blicken, ohne die Gewissheit, dass er in den weiten Tiefen seiner Seele dieselben Gefühle hegte wie sie.
Dominique hörte nicht, wie die Tür sich knarrend öffnete.
»Geht es Ihnen gut, Miss?«
Sie riss die Augen auf und setzte ein gekünsteltes Lächeln für den rothaarigen Matrosen auf, dessen Mütze immer schief saß. Wie hieß er doch gleich? Meyer. Es versetzte sie in Erstaunen, wie jung und zuvorkommend dieser Mann war. Er schien immerzu zu grinsen. Es erstaunte sie, dass Hawksmoor so viel Verantwortung in die Hände eines noch so jungen Mannes legte, egal wie stark und fähig dieser auch sein mochte.
»Ob es mir gut geht? Ja, um Gottes willen, ich war noch nie seekrank. Es ist nur, dass ich gerade ...« Dominique schluckte und wies auf die Pläne vor ihr,»... über ein Problem nachdenke. Ein kleines, winziges Problem.«
»Ja, Miss. Der Käpt'n lässt fragen, ob Sie ihm zum Dinner Gesellschaft leisten möchten.«
»Dinner?«
»Ja, in seiner Kabine.«
»Ich verstehe. Jetzt?«
»Ja, Miss. Er
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